Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (AAT-Mangel)

Beim AAT-Mangel, auch Laurell-Eriksson-Syndrom genannt, handelt es sich um einen Gendefekt, der zu einem Mangel des Proteins Alpha-1-Antitrypsin führt. Dieses wird in der Leber synthetisiert und schützt verschiedene Körpergewebe vor einem Abbau durch Enzyme, sogenannte Proteasen. Normalerweise bauen Proteasen in erster Linie defekte Zellen ab, beispielsweise bei Entzündungsreaktionen. Im Fall des Mangels kann jedoch auch gesundes Gewebe angegriffen werden, unter anderem durch die Protease Trypsin. Betroffen sind vor allem die Lunge, aber auch die Leber und in seltenen Fällen sogar die Haut. In der Folge kommt es zu einem Untergang von Lungengewebe, bei ungefähr 10-20 % der Patienten zusätzlich zu einer Schädigung der Leber. Die Erkrankung ist nicht heilbar, bei frühzeitiger Behandlung und angepasster Lebensweise ist die Prognose teilweise trotzdem gut. Etwa 1-3 Prozent aller COPD-Erkrankungen lassen sich auf diese Ursache zurückführen.
Symptome
Die Symptome hängen davon ab, ob nur die Lunge oder auch die Leber betroffen sind.
In letzterem Fall treten erste Anzeichen teilweise schon im Säuglingsalter auf. Dabei handelt es sich um Gelbsucht (Ikterus) - die jedoch häufiger harmlose Ursachen hat -, aber auch Leberentzündung, die bereits im Kindesalter chronisch werden kann. Daraus entwickelt sich gelegentlich sogar eine Leberzirrhose. Diese geht ebenfalls mit einer Gelbfärbung der Haut sowie roten Fingerkuppen, Erschöpfung, Völlegefühl und Schmerz im Oberbauch, Übelkeit und Gewichtsverlust einher. Eine Leberschädigung kann auch später auftreten, wenn sich das Protein AAT in dem Organ sammelt, jedoch nicht abgegeben werden kann. Insgesamt ist die Gefahr für ein Leberkarzinom erhöht.
Die Symptome der Lungenschädigung äußern sich als chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), jedoch mit ungewöhnlich frühem Beginn bereits im dritten oder vierten Lebensjahrzehnt. Zudem betrifft sie auch Patienten, die keinen lungenschädigenden Substanzen wie Stäuben oder Tabakrauch ausgesetzt sind. Erste Anzeichen sind Husten, Auswurf und Kurzatmigkeit bis hin zur Atemnot. Diese Symptome treten zunächst nur bei Anstrengung auf, beispielsweise Sport, schnellem Gehen oder Treppensteigen, später auch in Ruhe. Der Grund liegt in den abgestorbenen und überblähten Lungenbläschen - das Lungenemphysem. Bei vielen nicht mehr funktionalen Lungenbläschen fallen die kleinen Bronchien zusammen und ermöglichen keine ausreichende Sauerstoffversorgung mehr, der Atemfluss ist gestört. Betroffene zeigen dann oft typische Anzeichen einer Zyanose wie blaue Lippen und Fingernägel.
Verlauf
Der AAT-Mangel bleibt oft lange unentdeckt, da die spürbaren Symptome relativ spät - meist zu Beginn des 3. oder 4. Lebensjahrzehnts - einsetzen und zunächst oft mild sind. Lediglich bei Betroffenen mit einer Manifestation in der Leber fällt der Defekt häufig schon in der Kindheit durch ungewöhnliche Leberwerte und Iktus (Gelbfärbung von Haut und Augennetzhaut) auf. Daher ist es möglich, dass zum Teil bereits nennenswerte Mengen Lungengewebe untergegangen sind oder sogar ein Lungenemphysem vorliegt. Je nach Stadium ist die Prognose unterschiedlich gut. Ein frühzeitiger Behandlungsbeginn, Rauchverzicht und die genaue Ausprägung haben dabei entscheidenden Einfluss. Heilbar ist AAT-Mangel aufgrund seines genetischen Ursprungs nicht. Durchschnittlich liegt die Lebenserwartung zwischen 60 und 68 Jahren. Betroffene Nichtraucher erreichen jedoch beinahe normale Lebensspannen, während Raucher der Erkrankung häufig bereits zwischen dem 48. und 52. Lebensjahr erliegen. Nicht selten sind Sekundärkrankheiten die Ursache, da das vorgeschädigte Lungengewebe besonders angreifbar ist.
Ursachen und Risikofaktoren
Die Ursache des AAT-Mangels ist ein erblich bedingter Gendefekt. Dieser kann in unterschiedlicher Ausprägung vorliegen, je nachdem ob ein oder beide vererbten Allele (Stück der DNA) betroffen sind. Wurde nur von einer Elternseite ein defektes Allel vererbt, ist die Menge des produzierten Alpha-1-Antitrypsin zwar reduziert, schwere Schäden bleiben jedoch häufig aus. Symptome werden daher zumeist gar nicht mit dem Mangel in Verbindung gebracht. Sind beide Allele betroffen, wird das Protein nur noch in sehr geringen Mengen, im schlimmsten Fall sogar gar nicht mehr produziert. Die Auswirkungen sind dann deutlich stärker und führen öfter zu einem schweren und unbehandelt schnell fortschreitenden Verlauf. Lungenschädigende Risikofaktoren wie Staub und Tabakrauch können die Erkrankung nicht auslösen, ihren Verlauf jedoch stark beeinflussen.
Therapie
AAT-Mangel bleibt häufig lange unerkannt oder wird mit anderen Erkrankungen verwechselt beziehungsweise von diesen überdeckt. COPD-Kranke, Patienten mit Lungenemphysem, chronischer Bronchitis sowie Asthma, das schlecht auf Medikamente anspricht, sollten daher immer einen AAT-Mangel-Test vornehmen lassen. Der Spiegel des Proteins lässt sich mit einem Teststreifen anhand eines einzelnen Blutstropfens bestimmen. Fällt der Test positiv aus, kann die genaue Variante durch einen Gentest ermittelt werden.
Die medikamentöse Therapie ähnelt der von COPD aus anderen Ursachen. Dabei geht es stets darum, ein Fortschreiten der Erkrankung zu vermeiden und beeinträchtigende Symptome zu lindern - bereits vorhandene Schäden können nicht rückgängig gemacht werden. Zur medikamentösen Therapie werden in erster Linie sogenannte Betasympathomimetika und Muskarinrezeptoantagonisten in Form von Inhalationen verwendet. Später kann die Therapie auch um inhalative Corticosteroide erweitert werden. Während erstere für eine Erweiterung der Bronchien und besseren Sauerstoffversorgung sorgen, hemmen letztere die Entzündungsreaktionen in der Lunge . Eine für diese Form der COPD einzigartige Behandlungsmethode liegt in der Infusion von fremdem Alpha-1-Antitrypsin. Die wöchentliche Gabe kann bei einigen Patienten helfen, den Abbau des Lungengewebes zu stoppen. Neu erforscht wird eine Verabreichung als Inhalation, die für Patienten angenehmer ist.
Um die Atemleistung zu verbessern und die Lungenfunktion zu trainieren, ist regelmäßige professionelle Atemtherapie angezeigt. Insbesondere in späteren Stadien ist eine Sauerstofftherapie vonnöten, um die Lunge zu entlasten. Diese wird an die individuellen Bedürfnisse des Patienten angepasst. Infrage kommt eine nächtliche Beatmung zur Schonung der Atempumpe oder eine portable Therapie, die Betroffenen ermöglicht, auch in späten Stadien mobil zu bleiben.
Als letzte Möglichkeit existiert die Lungen- oder Lebertransplantation. Die Lungentransplantation ersetzt das zerstörte Organ, kommt aber nicht für alle Patienten infrage und ist nur in etwa der Hälfte der Fälle erfolgreich. Eine Lebertransplantation kann die Lungenschäden nicht beheben, behandelt die Erkrankung jedoch ursächlich: Eine fremde Leber ist imstande, Alpha-1-Antitrypsin zu bilden. In beiden Fällen darf die Operation nicht zu lange hinausgezögert werden, da die Prognose ungünstig ist.
Was Sie selbst tun können
Die Ursache des AAT-Mangels selbst können Sie nicht bekämpfen, wohl aber dessen Auswirkungen. Der mit Abstand wichtigste Faktor ist das Rauchen, das die Krankheit rasch lebensbedrohlich werden lässt. Ein Rauchstopp ist daher unabdingbar - dabei helfen die behandelnden Ärzte, aber auch spezielle Rauchentwöhnungsprogramme der Krankenkassen. Hierzu existieren sehr unterschiedliche Methoden und Ansätze, sodass Betroffene keinesfalls beim ersten Fehlschlag aufgeben sollten. Auf diese Art können im besten Fall Jahre oder sogar Jahrzehnte Leben und Lebensqualität hinzugewonnen werden. Sportliche Betätigung, vor allem gemäßigter Ausdauersport oder spezieller Lungensport wirken sich sehr positiv auf die Atemwege aus und sind daher ideal zur Behandlungsergänzung. Eine gesunde Ernährung ist grundsätzlich gesundheitsfördernd, von AAT-Mangel Betroffene sollten jedoch nicht nur auf die Vermeidung von Über-, sondern auch von Untergewicht achten. Speziell Eisen- und Kalziumversorgung können eingeschränkt sein und sollten daher regelmäßig überprüft werden.
Stress, psychische Beeinträchtigungen und Angst erfordern mehr Atemarbeit und belasten daher den Körper von Betroffenen. Für den Umgang mit der Krankheit empfehlen sich somit auch regenerative Maßnahmen für die Psyche: Je nach individuellem Bedarf kommen Selbsthilfegruppen oder eine Psychotherapie, Meditation oder Yoga infrage.
Ein essenzieller Bestandteil der Selbsthilfe ist die Vermeidung von zusätzlichen Belastungen für die Lunge. Betroffene sollten daher möglichst Luftschadstoffen wie Stäuben, Abgasen, Lackdämpfen und hohen Ozonwerten ausweichen. Von einem offenen Kamin ist abzuraten. Absolut essenziell sind Impfungen gegen wichtige Lungenkrankheiten wie Pneumokokken (Lungenentzündung), Grippe und Corona, da bei AAT-Mangel komplizierte und schwere Verläufe häufiger vorkommen. Vor allem stark Betroffene sollten zur Erkältungszeit infizierte Personen sowie Menschenmengen meiden. Bei Berufen, die mit einer Staubbelastung einhergehen, also Lackierer, Handwerker, Bautätigkeiten sowie Arbeiten mit Textil, muss entweder konsequent eine Atemmaske getragen oder auf andere Beschäftigungen umgestiegen werden.
https://europeanlung.org/de/information-hub/factsheets/alpha-1-antitrypsin-mangel/
Besucht:
https://www.apotheken-umschau.de/krankheiten-symptome/atemwegserkrankungen/alpha-1-antitrypsinmangel-744113.html
https://www.lungenaerzte-im-netz.de/krankheiten/alpha-1-antitrypsin-mangel/krankheitsbild/
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https://www.netdoktor.de/krankheiten/alpha-1-antitrypsin-mangel/
https://www.copd-deutschland.de/index.php
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https://flexikon.doccheck.com/de/Alpha-1-Antitrypsin
Besucht:
https://flexikon.doccheck.com/de/Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
https://www.lungenaerzte-im-netz.de/krankheiten/lungenemphysem/was-ist-ein-lungenemphysem/
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