Borreliose

Die Borreliose, auch Lyme-Borreliose oder Lyme-Krankheit genannt, ist in Europa die häufigste durch einen Zeckenstich übertragene Infektionskrankheit, wobei in Deutschland die Borrelienstämme „Borrelia burgdorferi“, „Borrelia afzelii“ und „Borrelia garinii“ aus der Familie der Spirochäten hauptverantwortlich sind. Während des Saugvorgangs der Zecke wandern die Borrelien in die Haut ein und führen häufig zu einer lokalen Infektion in Form einer Wanderröte (Erythema migrans). Selbst kleine Nymphen (Babyzecken) können bereits die gefährlichen Erreger übertragen. Im weiteren Verlauf der Erkrankung kann sich die Infektion auf den gesamten Organismus ausbreiten und verschiedene Organsysteme befallen.
Manifestationen der Borreliose finden sich vor allem in der Haut, den großen Gelenken und dem Nervensystem. Die Infektion wird nach Dauer der Erkrankung und Streuung im Organismus in 3 Stadien eingeteilt. Da die Borreliose-Infektion nur in manchen Bundesländern einer Meldepflicht unterliegt, werden 60.000 bis 100.000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland angenommen.
Im ICD-10 Verzeichnis, der internationalen Klassifikation der Krankheiten, ist die Borreliose unter Lyme-Krankheit und dem Code A69.2 aufgeführt.
Symptome
Die Inkubationszeit bis zum Auftreten der ersten Symptome variiert stark und beträgt zwischen 3 und 30 Tagen. In 50 % der Infektionen bildet sich um die Einstichstelle eine randbetonte Rötung (Erythema migrans), die sich zunehmend nach außen ausbreitet und innen verblasst. Ohne Antibiotika-Therapie können die Borrelien über Monate bis Jahre in der Haut verweilen, bevor sie sich im gesamten Organismus ausbreiten. Bei Kindern tritt in 7 % der Fälle statt der Wanderröte in der Nähe des Zeckenstichs eine hellrote knotige Schwellung (Borrelien-Lymphozytom) auf.
Die Übergänge der Krankheitsstadien sind fließend und unterscheiden sich vor allem in Früh- und Spätmanifestationen:
Stadium I: Im Frühstadium ist die Wanderröte oder das Borrelien-Lymphozytom meist das einzige sichtbare Symptom. Betroffene leiden zudem unter Muskel- und Gelenkschmerzen, Nachtschweiß, Fieber und einem allgemeinen Krankheitsgefühl.
Stadium II: Wochen bis wenige Monate nach dem Zeckenstich kann es zu folgenden Organmanifestationen kommen:
Nervensystem (frühe Neuroborreliose)
Bei einer akuten Neuroborreliose kommt es häufig zum sogenannten Bannwarth-Syndrom mit einer schmerzhaften Nervenwurzelentzündung, Hirnhautentzündung und dem Ausfall von Hirnnerven. Besonders auffällig ist dabei eine häufig beidseitige Facialisparese, bei der die Gesichtsmuskulatur gelähmt und erschlafft ist.Gelenke (Lyme-Arthritis)
Die Lyme-Arthritis betrifft meist ein Kniegelenk, die Entzündung kann aber auch an anderen großen Gelenken mit charakteristischer Rötung, Schwellung und stark eingeschränktem Bewegungsradius auftreten. Oftmals entsteht ein schmerzhafter Erguss im Kniegelenk, der eine Punktion notwendig macht.Herz (Lyme-Karditis)
In seltenen Fällen kann auch das Herz von Borrelien befallen sein. Dies äußert sich in Herzrhythmusstörungen (aufgrund von Reizleitungsstörungen) und einer Entzündung des Herzmuskels (Myokarditis) und/oder des Herzbeutels (Perikarditis).Augen
Es können auch Entzündungen der Bindehaut (Konjunktivitis), Lederhaut (Episkleritis), Regenbogenhaut (Uveitis) oder Hornhaut (Keratitis) auftreten.
Stadium III: Das späte Stadium ist geprägt von einer Vielzahl unterschiedlicher und unspezifischer Symptome. Es kommt aber vor allem zu späten bzw. chronischen Manifestationen an folgenden Organen:
Haut (Akrodermatitis chronica atrophicans)
Die Haut schwillt an und ist rötlich blau verfärbt. Mit zunehmender Dauer der Erkrankung wird die Haut immer dünner und die Venen schimmern deutlich durch.Nervensystem (späte Neuroborreliose)
Es kommt zu einer chronisch fortschreitenden Entzündung des Gehirns und des Rückenmarks mit einem vielfältigen neurologischen Krankheitsbild.Gelenke (späte Lyme-Arthritis)
Die chronische Gelenksentzündung zeigt sich meist in schmerzhaften Schüben und tritt bevorzugt am Kniegelenk auf.
Diagnose
Eine Wanderröte rund um die Einstichstelle ist beweisend für eine Borrelieninfektion und die Behandlung sollte möglichst schnell beginnen. Manche Leitsymptome wie eine Facialisparese (Gesichtslähmung) oder eine schmerzhafte Entzündung im Kniegelenk lassen den Arzt oder die Ärztin ebenfalls an eine Borrelieninfektion denken. In diesen Fällen, aber auch bei unspezifischen Symptomen nach einem Zeckenstich, sollte das Blut oder das Nervenwasser (Liquor) auf spezifische Antikörper und entzündliche Prozesse untersucht werden. Die Labordiagnostik besteht aus einem unspezifischen Suchtest (z. B. ELISA). Fällt dieser Test positiv aus, kommt in der 2. Stufe ein Immunoblot als Bestätigungstest zum Einsatz. Zudem besteht die Möglichkeit, das Erbgut der Erreger über einen PCR-Test direkt nachzuweisen. Hierzu sind Proben aus Haut, Liquor oder Gelenkpunktat notwendig. Der Arzt stellt die Diagnose in fortgeschrittenen Stadien meist durch einen positiven Test in Verbindung mit der entsprechenden Symptomatik.
Verlauf
Der Verlauf einer Borreliose ist entscheidend davon abhängig, zu welchem Zeitpunkt der Erkrankung mit einer Antibiotika-Therapie begonnen wurde. Dabei gilt: Je früher eine Antibiose startet, desto besser sind die Chancen auf eine folgenlose Ausheilung. Aber auch in späteren Erkrankungsstadien ist in den meisten Fällen mit einer vollständigen Heilung zu rechnen. Bei einigen Patienten bleiben aber unspezifische Symptome bestehen, die unter dem Begriff Post-Lyme-Syndrom zusammengefasst werden. Dazu zählen vor allem Müdigkeit, mangelnde Belastbarkeit, Gedächtnisstörungen und wandernde Muskel- und Gelenkbeschwerden. Allerdings ist noch nicht hinlänglich wissenschaftlich geklärt, aus welchem Grund die Symptome immer wieder auftreten.
Ursachen und Risikofaktoren
Die Borreliose kommt vor allem in bewaldeten und pflanzenbewachsenen Regionen in Europa und Nordamerika vor. Aber auch auf anderen Kontinenten wie Asien oder Australien sind verschiedene Borrelienstämme zu finden. Die Infektion ist stark an das Auftreten von Zeckenpopulationen gebunden. Besonders von März bis Oktober werden Zecken ab einer Temperatur von 6 °C deutlich aktiver und übertragen bei einem Stich die Erreger auf Mensch und Tier. Dabei gilt, dass mit der Dauer des Saugvorgangs das Infektionsrisiko ansteigt. Zecken sollten deshalb sofort entfernt werden.
Alle Personen, die sich gerne in der freien Natur aufhalten, sollten sich der Gefahr bewusst sein, die im Unterholz lauert. Zecken machen auch vor dem eigenen Garten nicht halt. Viele Menschen infizieren sich bei der Gartenarbeit, über Haustiere oder auch über Wildtiere. Besonders gefährdet sind Hunde und ihre Besitzer, Kinder im Waldkindergarten und Freizeitsportler. Die Borreliose ist für Personen mit erhöhtem beruflichen Infektionsrisiko wie Waldarbeiter oder Förster eine anerkannte Berufskrankheit. Eine Impfung steht derzeit nicht zur Verfügung.
Therapie
Im Anfangsstadium der Infektion ist die Borreliose mit geeigneten Antibiotika sehr gut zu behandeln. Ein frühzeitiger Therapiebeginn verhindert meistens Folgekomplikationen. Die Erkrankten erholen sich rasch, und die Infektion heilt in den allermeisten Fällen folgenlos aus. In selten Fällen (etwa 1 – 2 %) kann es aber auch nach früher Antibiotikatherapie zu Spätmanifestationen kommen. Wichtig ist, die Borreliose in jedem Stadium antibiotisch zu behandeln.
Medikamente der Wahl sind Doxycyclin oder Amoxicillin (vor allem bei Kindern), aber auch Azithromycin, Clarithromycin und Cefuroxim-Axetil können alternativ eingesetzt werden. Während im frühen Stadium der Erkrankung eine Behandlung mit Tabletten ausreicht, kommen in den späteren Stadien und bei Organmanifestationen wie Lyme-Arthritis in den Gelenken, der Lyme-Karditis im Herz oder der Neuroborreliose meist Antibiotika als Infusionen zum Einsatz. Bei einer intravenösen Therapie werden Cefotaxim, Ceftriaxon, aber auch Penicillin G in den aktuellen Behandlungsleitlinien empfohlen.
In manchen Fällen kann es notwendig sein, die Therapie mit einem anderen Antibiotikum zu wiederholen oder die Behandlungsdauer zu verlängern.
Die Neuroborreliose ist eine der gefährlichsten Manifestationen der Infektion. Betroffene sind schwer erkrankt und benötigen im Anschluss häufig eine umfangreiche Rehabilitation.
Wichtig:
Bei einer effektiven Antibiotikatherapie gegen Borrelien kann es – wie bei anderen Infektionen mit Spirochäten auch – zu einer sogenannten Jarisch-Herxheimer-Reaktion mit bis zu mehreren Tagen anhaltenden Symptomen wie Kopfschmerz, Fieber, Blutdruckanstieg, Übelkeit oder Gelenks- und Muskelschmerzen kommen. Dies ist eine Reaktion des Immunsystems auf Bakteriengifte, die beim Zerfall von Borrelien entstehen. Die Symptome der Erkrankung können sich dadurch vor allem am Anfang der Therapie verschlimmern. Insgesamt gesehen ist diese Reaktion aber ein Zeichen, dass die Therapie gut anspricht.
Je länger die Infektion besteht, desto schwieriger gestaltet sich häufig die Therapie. Viele Patienten klagen trotz erfolgter Antibiose über unspezifische Symptome und Schmerzen. Die Ursachen für dieses sogenannte Post-Lyme-Syndrom sind noch nicht ausreichend wissenschaftlich geklärt.
Bleiben die Beschwerden nach erfolgter Antibiotikatherapie bestehen, sind viele Betroffene auf der Suche nach alternativen Therapien. Auf dem Markt gibt es eine Vielzahl unterschiedlichster Angebote, die nicht immer wissenschaftlich belegt und zum Teil mit enormen Kosten verbunden sind. Gerade bei alternativmedizinischen Ansätzen ist deshalb eine genaue Prüfung von Nutzen und Risiko unerlässlich.
Bei den pflanzlichen Mitteln Samento (Extrakt aus Uncaria tomentosa, der Katzenkralle) und Banderol (Extrakt aus Otoba parvifolia, einem tropischen Baum, Muskatnussgewächs) wurde im Labor eine Wirkung gegen das Bakterium Borrelia Burgdorferi nachgewiesen. Allerdings gibt es keine ausreichenden Daten zur pharmakologischen Sicherheit dieser Arzneimittel. Die Wilde Karde (aus der Familie der Geißblattgewächse oder Caprifoliaceae) wird bei der Borreliosebehandlung häufig als Allheilmittel angepriesen, es gibt jedoch keine wissenschaftlichen Studien, die eine positive Wirkung auf die Erkrankung bestätigen würden.
Auf keinen Fall zu empfehlen ist die Anwendung von kolloidalem Silber und MMS (Miracle Mineral Supplement), ein giftiges Desinfektionsmittel, das Natriumchlorit und Säure enthält. In beiden Fällen kann es zu erheblichen gesundheitlichen Schäden kommen!
Was Sie selbst tun können
Nachdem keine Schutzimpfung verfügbar ist, ist der einzige Schutz vor Borreliose das Vermeiden von Zeckenstichen! Entscheiden Sie sich beim Aufenthalt in der Natur für lange Kleidung, die einen Schutz vor Insekten bietet. Auf heller Kleidung lassen sich die kleinen Spinnentiere ausserdem besonders gut erkennen und können frühzeitig entfernt werden.
Nach Ausflügen im Freien empfiehlt es sich, noch am selben Tag den kompletten Körper abzusuchen. Zecken sollten möglichst schnell fachgerecht mit einer Pinzette oder Zeckenzange entfernt werden. Vermeiden Sie, den Körper der Zecke zu quetschen. Zudem bieten Apotheken eine Vielzahl an Sprays zur Insekten- und Zeckenabwehr an. Inwieweit diese „Zeckenmittel“ tatsächlich schützen, ist noch nicht hinreichend belegt.
Die Testung, ob eine Zecke mit Borrelien infiziert war, ist nur für wissenschaftliche Fragestellungen geeignet. Bedenken Sie, dass auch bei einem positiven Ergebnis nicht nachgewiesen ist, ob während des Saugvorgangs eine Übertragung der Erreger und damit eine Infektion tatsächlich stattgefunden hat.
Wenn der Verdacht auf eine Borrelien-Infektion besteht, wenden Sie sich bitte an einen Arzt oder eine Ärztin beziehungsweise an eine Klinik mit Erfahrung mit Infektionskrankheiten!
Wichtig ist, die verschriebenen Medikamente genau einzunehmen, vor allem bei der Einnahme von Doxycyclin sollte der Beipackzettel genau gelesen werden.
Calcium- und magnesiumhaltige Nahrungsmittel wie Milch, Käse oder Joghurt können die Wirkung des Medikaments herabsetzen!
Wie bei allen Erkrankungen wird auch bei Borreliose die Genesung durch eine gesunde Ernährung sowie Verzicht auf Alkohol und Zigaretten unterstützt.
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_LymeBorreliose.html
https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/013-044l_S2k_Kutane_Lyme_Borreliose_2016-05-abgelaufen.pdf (im Status der Aktualisierung)
https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030-071l_S3_Neuroborreliose_2018-4-verlaengert.pdf
https://www.medizin-transparent.at/kolloidales-silber/
https://www.quarks.de/podcast/science-cops-akte-mms-die-luegen-vom-heilenden-chlordioxid/
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6337116/
https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03891667
https://www.zecken.de/de/der-richtige-zeckenschutz-was-hilft-gegen-zecken
https://www.ages.at/mensch/krankheit/infos-zu-zecken-krankheiten
http://www.hausaerzteverband.at/down/Diagnostik%20und%20Therapie%20der%20Lyme-Borreliose.pdf
http://heilpflanzenwissen.at/pflanzen/
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