DoctorBox Logo New

Raynaud-Syndrom

von DoctorBox |
begutachtet von Univ. Prof. Dr. med. Katharina Schallmoser, MSc. |
Sitzender Mann mit Raynaud-Syndrom hält seine Hände zusammen. Das Bild zeigt den Oberkörper, die Hände und Oberschenkel.
ICD-Code: I73.0

Das Raynaud-Syndrom (Morbus Raynaud) ist eine Erkrankung der arteriellen Blutgefäße. Aufgrund einer gestörten Gefäßregulation treten anfallsartige Gefäßkrämpfe und Durchblutungsstörungen vor allem der Finger oder auch der Zehen auf. Die betroffenen Bereiche erkalten, werden weiß-blass oder zyanotisch (blau), fühlen sich taub an und schmerzen manchmal. Auslöser können Reize wie Kälte oder Stress sein, wobei auch eine ernste Grunderkrankung die Ursache sein kann.
Dieser Beitrag informiert Sie über alle wichtigen Fakten dieser Erkrankung. 

Das passiert beim Raynaud-Syndrom 

Das Raynaud-Syndrom oder Morbus Raynaud ist eine anfallsartig auftretende Durchblutungsstörung, benannt nach dem französischen Arzt Maurice Raynaud, der von 1834 bis 1881 in Paris lebte und das Krankheitsbild in seiner Doktorarbeit beschrieb.  

Betroffen sind vor allem die drei mittleren Finger (selten die Daumen) sowie Zehen. Selten sind die Ohren, Nase, Zungenspitze oder Brustwarzen betroffen.  

Die vorübergehende Verengung der Blutgefäße kann eine Reaktion auf emotionalen Stress oder Kälte sein. Die Finger werden sichtbar steif und weiß, zum Teil bläulich-grau (zyanotisch), dementsprechend auch die Bezeichnung „Weißfingerkrankheit“ oder „Leichenfinger“. Nach dem Aufwärmen werden die Finger oft rot und schwellen an.  

Zusätzlich können Taubheits- und Kribbelgefühl, in manchen Fällen auch Schmerzen auftreten. Durch Wärme kann eine gewisse Linderung der Beschwerden erzielt werden, zwischen den einzelnen Attacken besteht Beschwerdefreiheit. Während die Symptome meistens harmlos sind, kann auch eine ernste Grunderkrankung vorliegen. 

Im ICD-10, dem internationalen Krankheitsverzeichnis, findet sich das Raynaud-Syndrom im Kapitel „Sonstige periphere Gefäßkrankheiten“ unter der Nummer I73.  

Die Unterteilung des Raynaud-Syndroms 

Beim Raynaud-Syndrom wird zwischen der primären und sekundären Form unterschieden, wobei die primäre Form mit über 80 % wesentlich häufiger vorkommt.  

Primäres Raynaud-Syndrom

  • Die Ursache dieser Erkrankungsform ist unbekannt, den Beschwerden liegt keine ersichtliche Erkrankung zugrunde. 

  • Die Symptome treten beidseitig an Händen oder Füßen auf.  

  • Alle Finger sind gleichmäßig verfärbt. 

  • Vor allem Frauen sind betroffen.  

  • Es treten keine Nekrosen (abgestorbenes Gewebe) auf. 

  • Die Beschwerden lassen im Alter nach. 

Sekundäres Raynaud-Syndrom

  • Diese Form tritt im Zusammenhang mit einer anderen Grunderkrankung auf. 

  • Meist ist nur eine Körperseite betroffen. 

  • Die Finger sind asymmetrisch, also fleckig verfärbt. 

  • Beide Geschlechter sind in gleichem Maße betroffen.  

  • Nekrosen (abgestorbenes Gewebe) sind möglich. 

  • Die Beschwerden bleiben im Alter bestehen.   

Vorkommen und Häufigkeit 

Rund 7 bis 12 % der europäischen Bevölkerung sind betroffen, vor allem im nordeuropäischen Raum und Ländern mit kalten klimatischen Bedingungen.
Vom primären Raynaud Syndrom sind vor allem Frauen betroffen, mehr als 70 % bemerken die ersten Krankheitssymptome deutlich vor dem 40. Lebensjahr. Häufig tritt das Phänomen in der Pubertät erstmals auf und wird mit fortschreitendem Lebensalter kontinuierlich schwächer, bis es in den Wechseljahren verschwindet.
Das sekundäre Raynaud-Syndrom zeigt sich meist erst nach dem 40. Lebensjahr.  

Symptome  

Die Beschwerden werden durch eine krampfartige Verengung von Blutgefäßen, sogenannte Vasospasmen, hervorgerufen. Dies führt an Fingern (ausgenommen Daumen), seltener auch an Zehen oder anderen Körperpartien zu Durchblutungsstörungen – in einem Drittel der Fälle in einer typischen Abfolge in drei Phasen:   

1. Ischämie
Aufgrund der Verengung der Arterien sind Finger und Zehen schlechter durchblutet. Infolgedessen wirken diese weiß und können sich kalt, taub und „eingeschlafen” anfühlen, oft begleitet von Kribbelgefühl oder anderen Missempfindungen. 

2. Zyanose
Als Reaktion auf die Arterienverengung erweitern sich in der zweiten Phase venöse Blutgefäße. Dadurch reichert sich venöses Blut an, sodass die Finger bzw. Zehen bläulich (zyanotisch) erscheinen.  

3. Hyperämie 
In der dritten Phase lösen sich die krampfartigen Verengungen der Blutgefäße (Vasospasmen) und die Durchblutung nimmt wieder zu. Finger bzw. Zehen verfärben sich wieder rötlich, schwellen an und schmerzen oft.  

Das Raynaud-Syndrom wird daher auch als „Trikolore-Phänomen“ bezeichnet: Trikolore ist ein Begriff, der ursprünglich aus dem Französischen stammt und bedeutet ins Deutsche übersetzt „drei Farben“, nämlich in diesem Fall weiß, blau und rot. Es müssen aber nicht immer alle drei Phasen auftreten. Bei vielen Betroffenen normalisiert sich die Hautfarbe ohne sichtbare Rötung.  

Die Symptome ähneln jenen einer Erfrierung, die Attacken dauern meist nur wenige bis maximal 30 Minuten, manchmal jedoch auch mehrere Stunden. Der Ablauf der Attacken ist individuell sehr unterschiedlich, und auch bei einer Person können sich betroffene Finger, Anfallsdauer oder auch Häufigkeit des Auftretens im Laufe der Zeit verändern.  

Selten bestehen die krampfartigen Verengungen der Blutgefäße (Vasospasmen) über längere Zeit. Dies kann zu einer dauerhaften Schädigung der Blutgefäße und zum Absterben von Gewebe (Nekrosen) führen, meist als Folgekomplikation eines sekundären Raynaud-Syndroms. 

Ist die Grunderkrankung eine sogenannte Sklerodermie, dann ist zusätzlich zu Fingern und ggf. Zehen auch die Haut der Hände, der Arme oder der Gesichtshaut betroffen und verdickt sowie gespannt. Sklerodermie ist eine erbliche und selten vorkommende Form des entzündlichen Rheumas und gehört zur Gruppe der Bindegewebskrankheiten (Kollagenosen). 

Ein stark ausgeprägtes Raynaud-Syndrom kann die Psyche der Betroffenen massiv belasten. Dieser Aspekt sollte immer sehr ernst genommen werden, denn die Vermeidung beschwerdeauslösender Situationen kann so weit gehen, dass die Patienten Angst haben, im Winter ihr Haus oder ihre Wohnung zu verlassen. 

Warning Icon
Permanent kalte Hände und Füße – auch in Kombination mit bläulich verfärbten Finger- und Zehennägeln – sind nicht charakteristisch für das Raynaud-Syndrom. Diese Beschwerden weisen eher auf einen niedrigen Blutdruck oder möglicherweise auf eine Herzerkrankung hin. Für die Diagnose des Raynaud-Syndroms braucht es eine Anfallsdynamik der auftretenden Beschwerden. Sprechen Sie bei Fragen oder Zweifeln immer mit Ihrer behandelnden Ärztin oder Ihrem Arzt! 

Verlauf  

Am primären Raynaud-Syndrom erkranken vor allem Frauen zwischen 15 und 45 Jahren. Diese Form der Durchblutungsstörung ist unangenehm und häufig sehr störend, aber im Grunde harmlos. Die Lebensqualität wird meistens nur geringfügig eingeschränkt, und normalerweise bessern sich die Beschwerden mit zunehmendem Lebensalter.   

Beim sekundären Raynaud-Syndrom ist der Leidensdruck für die Betroffenen wesentlich höher und kann sich im Laufe der Zeit sogar noch weiter verstärken. Aufgrund der verschiedenen Ursachen unterscheidet sich der Krankheitsverlauf individuell stark.
So können Komplikationen auftreten wie schlechte Wundheilung oder das Absterben von Gewebe, die sehr langwierig und komplex zu behandeln sind.  

Ursachen und Risikofaktoren 

Beim primären Raynaud-Syndrom ist eine ursächliche Grunderkrankung nicht bekannt. In den meisten Fällen führen Reize wie psychischer Stress oder Kälte (kalte Außentemperatur, Gegenstände) zu den typischen Vasospasmen. Man vermutet eine gestörte Regulation des Sympathikus (ein Bereich des vegetativen Nervensystems), wobei dessen erhöhter Erregungszustand möglicherweise eine gesteigerte Reaktivität der Blutgefäße in Fingern und Zehen bewirkt. 

Die sekundäre Form kann die Folge einer Vielzahl unterschiedlicher Grunderkrankungen sein.  

Hierzu gehören etwa:  

  • Rheumatische Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen  

  • Nervenerkrankungen wie etwa Multiple Sklerose 

  • Gefäßkrankheiten, wie Arterienverkalkung (Arteriosklerose) oder periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) 

  • diverse Blutkrankheiten wie eine überschießende Vermehrung der Blutplättchen (Thrombozytose) 

  • das Karpaltunnelsyndrom, verursacht durch eine Kompression des Mittelhandnervs im Karpaltunnel des Handgelenks 

  • Kollagenosen (Bindegewebskrankheiten) wie der Systemische Lupus erythematodes (SLE), oder die Sklerodermie, eine Sammelbezeichnung für Autoimmunerkrankungen, bei denen es zu einer Verdickung und Verhärtung von Haut und Bindegewebe kommt. Bleiben die Symptome auf die Haut beschränkt, spricht man von zirkumskripter Sklerodermie. Sind auch innere Organe wie Herz, Lunge, Nieren oder Darm betroffen, handelt es sich um eine systemische Sklerodermie. In fast 90 % der Fälle ist das Raynaud-Syndrom das erste Symptom dieser Erkrankung. 

Bei der sogenannten „Kälteagglutininkrankheit“ binden körpereigene Antikörper an die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und führen zu deren Verklumpung (Agglutination). Darauf reagiert der Körper mit entzündlichen Reaktionen, die wiederum Blutgefäßverengungen und das Raynaud-Syndrom verursachen können. Durch die gleichzeitige Zerstörung der roten Blutkörperchen, die sogenannte Hämolyse, kann es im weiteren Verlauf auch zu schwerer Blutarmut (Anämie) kommen.  

Medikamente zur Empfängnisverhütung, gegen Herzrhythmusstörungen oder Migräne sowie Betablocker, manche Antidepressiva und Amphetamine können ebenfalls das Raynaud-Syndrom auslösen oder die Beschwerden intensivieren. Bestimmte Arzneimittel gegen Kopfschmerzen oder Parkinson-Syndrom, oder Mittel zur Krebsbehandlung (Zytostatika) gelten als Risikofaktoren für die Entstehung der Durchblutungsstörung. 

Auch Drogen wie Kokain oder Designerdrogen wie zum Beispiel LSD, Ecstasy oder Crystal Meth können das Raynaud-Syndrom verursachen. 

Bestimmte Berufszweige bergen ebenfalls ein erhöhtes Risiko für die Entstehung eines sekundären Raynaud-Syndroms bei Kontakt mit bestimmten Chemikalien wie Polyvinylchlorid (PVC) oder Tätigkeiten mit stark vibrierenden Maschinen wie Motorsägen oder Presslufthammer.  

Therapie  

Welche Therapie im Einzelfall die Richtige ist, hängt maßgeblich von der Krankheitsform ab.
Beim primären Syndrom zielt die Therapie in erster Linie auf eine Linderung bestehender Beschwerden und Vermeidung auslösender Reize sowie neuer Beschwerden ab. 

Bei der sekundären Form der Durchblutungsstörung muss hingegen die zugrunde liegende Erkrankung adäquat behandelt werden. 

  • Falls eine Behandlung mit Hausmitteln oder entsprechenden Selbstmaßnahmen nicht ausreichen, können medikamentöse Präparate verschrieben werden, die zu einer Gefäßerweiterung führen, sogenannte Vasodilatatoren. 

  • Operative Eingriffe sind nur äußerst selten angezeigt. In vereinzelten Fällen muss eine sogenannte Sympathektomie durchgeführt werden. Hierbei handelt es sich um eine chirurgische Durchtrennung des Sympathikus, um dessen gefäßverengende Stimulation aufzuheben. Ist es bereits zu Nekrosen (abgestorbenem Gewebe) gekommen, kann unter Umständen auch eine Amputation notwendig sein. 

Was ist bei einem Krankheitsanfall zu tun? 

Droht ein akuter Anfall im Rahmen eines primären Raynaud-Syndroms, sollten die Hände mit warmem Wasser gewaschen oder zum Aufwärmen unter die Achseln gesteckt werden. Die Finger können auch bewegt und sanft massiert werden, um eine Gefäßerweiterung herbeizuführen. Der Anfall klingt meist nach höchstens 30 Minuten wieder ab, bevor es zu dauerhaften Schäden kommt.  

Sollte sich die Verengung der Blutgefäße nicht zeitnah lösen, helfen Bettruhe und Wärme. Reicht auch das nicht aus, sollte eine Ärztin oder ein Arzt aufgesucht werden. In einem solchen Fall kann eine blutgerinnungshemmende Behandlung – beispielsweise mit Heparin – verordnet werden.  

Das können Sie selbst tun 

Bestimme Trainingsgeräte sind sehr gut geeignet, um die Durchblutung der Finger und Hände anzuregen. 
Darüber hinaus sollte Entspannung trainiert werden, um Stressbelastungen im Alltag abzubauen, so etwa Mediation, Achtsamkeitsübungen oder Yoga. Auch Lesen, Spazieren, Musik hören oder Tagebuchschreiben können sehr zielführende, stresslindernde Maßnahmen sein.
Ein Rauchstopp wird sich sehr positiv auf die Erkrankung auswirken, denn Nikotin vermindert die Durchblutung und kann Raynaud-Symptome nur noch weiter verschlimmern.  

Tipps für Betroffene mit Raynaud-Syndrom im Alltag  

  • Vermeiden Sie Situationen, die zu einer Verengung von Blutgefäßen in Fingern und Zehen führen könnten, zum Beispiel eisige Kälte.  

  • Schützen Sie daher Hände und Füße vor Kälte, zum Beispiel mit ausreichend warmen Handschuhen, Taschenwärmern, flauschigen Socken und Einlegesohlen. 

  • Versuchen Sie, zwischendurch durch leichte Bewegungen oder sanfte Massagen eine Gefäßerweiterung in Fingern und Zehen zu stimulieren.  

  • Erlernen Sie Entspannungsmethoden wie autogenes Training, progressive Muskelentspannung oder Yoga. 

  • Meiden Sie nach Möglichkeit die Einnahme gefäßverengender Medikamente.  

  • Vermeiden Sie nach Möglichkeit das zu häufige Arbeiten mit stark vibrierenden Geräten. 

  • Vermeiden Sie möglichst Sportarten, bei denen die Hände als Schlagwerkzeug genutzt werden, so etwa Volleyball oder Karate. 

  • Regelmäßige Saunabesuche oder Wechselbäder können ebenfalls positiv auf die Durchblutung des Körpers wirken und gleichzeitig einen großartig entspannenden Effekt entfalten. 

  • Bewegung ist das A und O – und zwar für Körper und Geist! Sorgen Sie für ausreichende Aktivität im Alltag, vor allem, wenn Sie beruflich bedingt viel sitzen müssen. Auf diese Weise vermeiden Sie eine Überspannung in den Faszien und Muskeln und regen zugleich die Durchblutung an.  
    Bewegung hilft auch, den Kopf freizubekommen und vom Stress des Alltags abzuschalten. Stress gilt als wichtiger Entstehungsfaktor für das Raynaud-Syndrom. 

  • Faszien-Rollmassagen fördern die Durchblutung und können bei regelmäßiger Anwendung Raynaud-Anfälle verbessern. Sprechen Sie darüber mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt bzw. mit einer Spezialistin oder einem Spezialisten im Bereich der Sportmedizin und Physiotherapie. 

Ernährungstherapie beim Raynaud-Syndrom?

Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es keine gesicherten Hinweise für eine Linderung der Beschwerden durch ein bestimmtes Essverhalten. Unter Umständen kann eine Omega-3-reiche Ernährung positive Effekte zeigen. Omega-3-Fettsäuren finden sich vor allem in fettreichem Seefisch wie Thunfisch, Hering, Lachs oder Makrele, aber auch in Walnüssen, Pflanzenölen und Leinsamen, wobei die wissenschaftlichen Untersuchungen zum Nutzen von Omega-3-Fettsäuren beim Raynaud-Syndrom noch nicht sehr aussagekräftig sind.  

Überprüfen Sie mit dem Symptom-Checker, ob Sie Raynaud haben?
Der digitale Gesundheitsassistent liefert in wenigen Minuten eine zuverlässige Ersteinschätzung mit konkreten Handlungsempfehlungen.
Digitaler Gesundheitsassistent