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Schlafwandeln

von DoctorBox |
begutachtet von Prof. Dr. med. Richard Schulz |
Eine Frau, die unter Schlafwandeln (Somnambulismus) leidet, spaziert in einem sonnigen Feld mit ihrem Kopfkissen, einer Augenklappe und einem Schlafanzug.
ICD-Code: F51.3

Schlafwandeln – in der medizinischen Fachsprache auch als Somnambulismus bezeichnet – ist ein Phänomen, das zu den Schlafstörungen gehört und im Tiefschlaf auftritt. Die Betroffenen gehen nachts sozusagen auf Wanderschaft, mit geöffneten Augen sowie einem leeren Blick, aber tief schlafend. Dabei verrichten sie oft die ungewöhnlichsten Dinge. Nach nur wenigen Augenblicken ist das Schlafwandeln vorüber und die betroffenen Personen wissen am Folgetag nichts mehr von dem nächtlichen Treiben. In einigen Fällen kann das Schlafwandeln aber sehr gefährlich werden, so beispielsweise, wenn die Betroffenen aus dem Fenster klettern.  
Erfahren Sie hier alles Wichtige zu den Anzeichen und Ursachen dieser Schlafstörung sowie zu den Therapiemöglichkeiten. 

Das passiert beim Schlafwandeln 

Schlafwandeln – in der medizinischen Fachterminologie auch als Somnambulismus bezeichnet – ist eine Schlafstörung, die im Tiefschlaf auftritt. Umgangssprachlich wird hier auch von der "Mondsucht" gesprochen, denn früher wurde der Vollmond aufgrund seiner Helligkeit als Auslöser für dieses nächtliche Schlafphänomen angesehen. 

Medizinisch betrachtet gehört diese Schlafstörung zur Gruppe der sogenannten Parasomnien. Diese Gruppe von nicht-organischen Schlafstörungen zeichnet sich durch unerwünschte Verhaltensauffälligkeiten während des Schlafs aus. 
Die Parasomnien beinhalten außer dem Schlafwandeln noch andere Schlafphänomene wie zum Beispiel Albträume, Nachtschreck (Pavor nocturnus) oder die sogenannte REM-Schlaf-Verhaltensstörung. Reden im Schlaf (Somniloquie), Schlafstarre (Schlafparalyse/Schlaflähmung) oder nächtliches Zähneknirschen (Bruxismus) gehören ebenfalls zur Gruppe der Parasomnien. 

Beim Schlafwandeln kommt es also zu unerwünschten Bewegungen und Handlungen im Schlaf. So verlassen die betroffenen Personen zum Beispiel ihr Bett und gehen schlafend im Haus umher oder machen gar lange Spaziergänge. Es kann auch vorkommen, dass die Patientinnen und Patienten essen oder versuchen, mit dem Auto zu fahren.   

Schlafwandler*innen reagieren kaum auf Außenreize wie etwa auf Geräusche und können auch nur sehr schwer geweckt werden. Dementsprechend besteht für die Betroffenen ein erhöhtes Verletzungs- und Unfallrisiko. 

Beim Schlafwandeln sind nur bestimmte Hirnbereiche aktiviert, wodurch der sonderbare Wach-Schlaf-Zustand hervorgerufen wird. Die Betroffenen können sich bewegen und sprechen, erwachen aber nicht: Sie befinden sich im Tiefschlaf.  

Demnach wird die Motorik durch das Gehirn aktiviert, das Bewusstsein bleibt aber ausgeschaltet. Das erklärt auch, warum Schlafwandler*innen unempfindlich gegenüber Schmerzen sind und sich am nächsten Tag auch nicht an die nächtlichen Geschehnisse erinnern können bzw. nur Erinnerungsfetzen daran haben (Amnesie). 

Schlafmediziner*innen differenzieren innerhalb eines Schlafzyklus vier unterschiedliche Phasen:   

1. Einschlafphase (Non-REM-Schlafphase 1) 

2. Leichtschlafphase (Non-REM-Schlafphase 2) 

3. Tiefschlafphase (Non-REM-Schlafphase 3+4) 

4. REM-Phase ("Rapid-Eye-Movement": Charakteristisch für diese Schlafphase sind schnelle Augenbewegungen. Diese Phase beendet auch den Schlafzyklus). 

Das Phänomen des Schlafwandelns beginnt in der Regel rund ein bis eineinhalb Stunden nach dem Einschlafen, also im ersten Drittel des nächtlichen Schlafs. Es tritt beim Übergang von der Non-REM-Leichtschlafphase 2 in die Non-REM-Tiefschlafphase 3+4 auf und dauert in der Regel nur wenige Minuten. Die Frequenz des Schlafwandelns variiert erheblich (von mehrmals pro Woche bis zu alle paar Monate). 

Kinder sind häufiger von Schlafwandeln betroffen als Erwachsene. Die Häufigkeit beträgt im Kindesalter bis zu 30 %, ungefähr um die Pubertät herum verschwindet aber meistens die Tendenz zum Schlafwandeln wieder. Im Erwachsenenalter sind bzw. bleiben rund 1 bis 2 % aller Menschen chronische Schlafwandler*innen. Faktoren wie nächtlicher Lärm, Fieber, Schlafmangel oder auch psychischer Stress können das Schlafwandeln begünstigen.  

Im ICD-10, dem internationalen Krankheitsverzeichnis, findet sich das Schlafwandeln im Kapitel „Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren“ unter der Nummer F51.3.  

Die vier Formen des Somnambulismus   

Mediziner unterscheiden bei diesem Schlafphänomen zwischen vier verschiedenen Erscheinungsformen:  

1. Subklinische Form 
Hier kommt es bei den betroffenen Personen nicht immer zu einer Aktivität, doch über eine EEG-Untersuchung (Elektroenzephalogramm), über ein EKG (Elektrokardiogramm) oder ein EMG (Elektromyogramm) können entsprechende Gehirnaktivitäten nachgewiesen werden. 

2. Abortive Form
Hier bleiben die Aktivitäten der Schlafwandler*innen auf das Bett beschränkt. So setzen sich die betroffenen Personen zum Beispiel im Bett hin oder sie beginnen im Schlaf (undeutlich) zu sprechen.  

3. Klassischer Somnambulismus
Hier vollziehen die Patientinnen und Patienten zum Teil komplexe Handlungsabläufe. Sie reagieren überhaupt nicht auf Außenreize und setzen sich somit zum Teil großen Verletzungsgefahren aus. 

4. Aggressiver (gewalttätiger) Somnambulismus
Gerade bei dieser Form des Schlafwandelns besteht eine große Verwechselungsgefahr mit anderen Arten von Schlafstörungen, denen aber häufig wesentlich ernstere Krankheiten zugrunde liegen.   

Abgrenzung des Somnambulismus von anderen Störungen 

Nicht in allen Fällen ist das, was man für ein Schlafwandeln hält, auch tatsächlich ein Somnambulismus. So darf das Schlafphänomen nicht mit anderen Störungen verwechselt werden, so etwa mit bestimmten Formen der Epilepsie, die insbesondere nachts auftreten.   

Auch eine REM-Schlaf-Verhaltensstörung (sogenanntes Schenk-Syndrom) kann unter Umständen vorliegen. Hierbei leben die betroffenen Personen Trauminhalte aus, werden dabei manchmal aggressiv und beginnen, um sich zu schlagen – ohne dass sie aber dabei ihre Umgebung bewusst wahrnehmen. Im Rahmen dieser Störung kann es auch zu starken Verletzungen kommen. Im Gegensatz zum Schlafwandeln können sich die betroffenen Personen in den meisten Fällen aber sehr detailgetreu an ihre Träume erinnern. Wichtig ist, dass diese Parasomnie heute als Vorbote eines Morbus Parkinson angesehen wird.  

Des Weiteren sind auch folgende Störungen vom Schlafwandeln abzugrenzen:  

  • Nächtliche Verwirrtheitszustände (zum Beispiel auch infolge von Schlafmitteln) 

  • Nachtschreck bei Kindern  

  • Psychische Ausnahmezustände  

  • Night-Eating-Syndrom (eine Art der Schlafstörung, bei der die Betroffenen nachts aufstehen, um zu essen).  

Die Betroffenen sollten Beschwerden immer ärztlich abklären lassen, um sicherzustellen, dass es sich beim vermeintlichen Schlafwandeln nicht doch um eine ernsthafte Grunderkrankung handelt. 

Symptome  

Im Pyjama draußen spazieren gehen, Telefongespräche führen, das Haus putzen, kochen oder Autofahren: Schlafwandler*innen führen im ersten Drittel des Nachtschlafs mitunter komplexe – und häufig auch gar nicht ungefährliche – Handlungen aus.
Die Aktivitäten dauern allerdings nur kurze Zeit an, höchstens 30 Minuten und nach der nächtlichen Erscheinung ist am nächsten Morgen auch alles wieder vergessen. In manchen Fällen wundern sich die Betroffenen lediglich über eine blitzblank geputzte Wohnumgebung oder so manch kleine oder größere Verletzung.  

Folgende Kennzeichen deuten auf ein Schlafwandeln hin:   

  • Nächtliches Aufschrecken oder Aufrichten 

  • Reden im Schlaf  

  • Die Betroffenen erwachen nicht vollständig und lassen sich auch während des Schlafwandelns nur sehr schwer aufwecken.  

  • Durchführung diverser Aktivitäten sowie Umherlaufen während des Tiefschlafs. 

  • Die betroffenen haben während des Schlafwandelns geöffnete Augen, jedoch einen leeren Blick, eine starre Mimik sowie ausgestreckte Arme. 

  • Nach dem Aufwachen haben die Betroffenen keine Erinnerungen an das nächtliche Schlafwandeln. 

  • Die Betroffenen zeigen ein sehr geringes Reaktionsvermögen auf Außenreize wie etwa Geräusche oder Berührungen. 

  • Erhöhte Verletzungsgefahr 

  • Reduziertes Schmerzempfinden 

  • Nur sehr selten lässt sich ein aggressives Verhalten während des Schlafwandelns beobachten.  

Verlauf  

In der Regel gilt das Schlafwandeln als unproblematisch, jedoch bergen die nächtlichen Handlungen ein erhöhtes Sturz- und Unfallrisiko. So kann es passieren, dass die betroffenen Personen vom Treppenabsatz stürzen, stolpern, die Herdplatte anschalten oder sogar aus dem offenen Fenster fallen! 

Schlafwandelnde Personen sollten nicht geweckt oder laut angesprochen werden, denn das kann bei den Betroffenen einen Schock auslösen! So werden manche der Betroffenen panisch, andere wiederum können sogar aggressiv reagieren und sich zur Wehr setzen: Demnach besteht für den Betroffenen selbst, aber auch für andere eine Verletzungsgefahr. 
Mediziner*innen empfehlen, die nächtlichen Schlafwandler sanft an die Hand zu nehmen und sie behutsam zum Bett zurückzuführen. In den meisten Fällen schlafen die Betroffenen danach sofort wieder ein.  

Bei erwachsenen Menschen kann das Schlafwandeln ein Hinweis auf Erkrankungen des Gehirns sein. So ist es nicht auszuschließen, dass eine neurologische Störung oder sogar ein Gehirntumor die Ursache für den Somnambulismus sind. In beiden Fällen besteht ein dringender medizinischer Behandlungsbedarf, damit es nicht zu weiteren gefährlichen Folgekomplikationen kommt. 

Ursachen und Risikofaktoren 

Mediziner haben bislang trotz intensiver Forschungsbemühungen die konkreten Ursachen des Schlafwandelns noch nicht abschließend geklärt. 
Früher vermuteten die Menschen eine starke Anziehungskraft, die vom hell erleuchteten Vollmond ausgeht. Sie machten ihn für das nächtliche Phänomen verantwortlich, weshalb die betroffenen Personen auch als "Mondsüchtige" bezeichnet wurden. Heute weiß man jedoch, dass der Mond an dieser Schlafstörung nicht schuld ist. 

Im Erwachsenenalter tritt das nächtliche Phänomen eher selten auf. Wenn es aber dennoch zum Schlafwandeln kommt, so waren die Betroffenen bereits als Kinder in der Nacht aktiv und haben diese Neigung niemals vollständig abgelegt. 
Zeigt sich die Störung aber zum ersten Mal im Erwachsenenalter, so können andere Erkrankungen dahinterstecken, so zum Beispiel eine Form der Epilepsie. In einem solchen Fall ist es durchaus sinnvoll, eine Ärztin oder einen Arzt zu konsultieren und den Ursachen gezielt auf den Grund zu gehen. 

Eine wichtige Rolle spielen zudem auch diverse andere Faktoren und Außenreize, die das Schlafwandeln begünstigen können.  

Hierzu gehört zum Beispiel:   

  • Psychischer Stress und starke emotionale Belastungen 

  • Fiebererkrankungen 

  • Einnahme bestimmter Medikamente, vor allem Beruhigungsmittel oder Antidepressiva 

  • Alkoholkonsum 

  • Erbliche Veranlagung  

  • Laute Geräusche/Lärm 

  • Harndrang 

  • Hungergefühle  

  • Schmerzen  

  • Schlafmangel 

  • Restless-Legs-Syndrom 

  • Psychische Störungen wie zum Beispiel Depressionen  

  • Epileptische Anfälle. 

Therapie  

Gegen das Schlafwandeln gibt es keine ursächliche Behandlung. Als sehr hilfreich haben sich jedoch Stressbewältigungsmaßnahmen wie Entspannung, autogenes Training oder Muskelentspannung erwiesen. 
Gute Erfolge zeigten sich auch nach Hypnosen oder nach der Methode der Vorsatzbildung: Hierbei lernen die Patientinnen und Patienten auf einen bestimmten Reiz zu reagieren, der ihnen signalisiert, sich wieder zurück ins Bett zu legen. Das kann beispielsweise die Berührung des Bodens mit dem Fuß sein: Zum Beispiel durch eine kalte oder genoppte Oberfläche lässt sich dieser Reiz noch zusätzlich intensivieren.  

In Betracht kommt auch eine medikamentöse Therapie: Bei erwachsenen Personen wurden bislang beispielsweise Benzodiazepine eingesetzt wie etwa Clonazepam oder Diazepam. Auch sogenannte trizyklische Antidepressiva oder Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) kamen erfolgreich zur Anwendung. Sprechen Sie über die medikamentöse Therapie unbedingt mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt.
Es ist jedoch alles andere als einfach, die richtige Therapiedauer festzulegen. Die Medikamente werden zunächst einige Wochen, manchmal auch Monate eingenommen. Bei einigen Patientinnen und Patienten sind auch mehrere Therapiezyklen erforderlich. 

Die gute Nachricht ist jedoch, dass das Schlafwandeln in den meisten Fällen mit fortschreitendem Lebensalter nachlässt und letztlich vollständig abklingt.  

Das können Sie selbst tun 

Schlafwandeln ist wesentlich mehr als nur ein eigenartiges Phänomen. Die genetische Veranlagung lässt sich zwar nicht beseitigen, doch die Auslöser sind recht gut vermeidbar.  
Schlafmediziner*innen geben dabei folgende Ratschläge:  

  • Erlernen Sie Entspannungsmethoden und reduzieren Sie Stress. Bewährte Stresspräventionsmaßnahmen sind Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung, Yoga oder auch Meditation. 
    Insbesondere das Autogene Training basiert auf Autosuggestion: Im Rahmen dieser Methode erlernen die Patientinnen und Patienten ihr Handeln und ihr Denken mit bestimmten Suggestionen zu verändern. Beim Schlafwandeln könnte also zum Beispiel die formelhafte Aussage zum Einsatz kommen: "Immer, wenn meine Füße Bodenkontakt haben, lege ich mich zurück in mein Bett."   

  • Vor dem Schlafengehen sollte am besten auf Alkoholkonsum verzichtet werden.  

  • Sorgen Sie für einen regelmäßigen Schlaf-Wach-Zyklus: Das bedeutet, Sie sollten immer zur selben Uhrzeit schlafen gehen und auch morgens zur gleichen Zeit wieder aufstehen.  

  • Nehmen Sie psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch: Erwachsene Menschen können im Rahmen einer Psychotherapie lernen, besser mit seelischen Belastungen, Stress und Konflikten umzugehen. Die kognitive Verhaltenstherapie möchte die Betroffenen dabei unterstützen, belastende Situationen besser zu meistern und das eigene Leben in eine positive Richtung zu lenken. 
    Auch für Kinder und Jugendliche kann psychotherapeutische Unterstützung sehr sinnvoll sein, um mögliche Auslöser des Somnambulismus zu beseitigen. 

  • Darüber hinaus ist es sehr wichtig, die Umgebung ausreichend zu sichern, denn die Betroffenen achten während des Schlafwandelns nicht auf Gefahren und demnach kann es schnell zu Verletzungen oder Unfällen kommen.  

    • Fenster und Türen müssen gesichert werden, damit Schlafwandler nicht hinausgehen oder hinausfallen können.  

    • Für Eltern von schlafwandelnden Kindern können sogenannte "Alarmmatten" eine sehr sinnvolle Anschaffung sein: Sobald das Kind im Tiefschlaf zu Schlafwandeln beginnt, werden die Eltern alarmiert. Auf diese Weise können sie rasch reagieren und das Kind behutsam zum Bett zurückbegleiten. 

    • Die Küchentüre sollte am besten abgeschlossen werden. Auf diese Weise können die Betroffenen auch nicht an gefährliche Gegenstände wie etwa Messer oder Herdplatten gelangen. 

    • Teppiche sollten aus dem Weg geräumt werden, um Stolperfallen zu beseitigen.   

    • An Treppen sollte ein (Kinder-)Schutzgitter angebracht werden.  

Sollte das Schlafwandeln trotz aller Gegenmaßnahmen immer wieder oder immer häufiger auftreten, sollten Sie unbedingt mit Ihrer behandelnden Ärztin oder Ihrem Arzt Rücksprache halten und die weiteren möglichen Behandlungsmaßnahmen besprechen.