DoctorBox Logo New

Wochenbettpsychose (postpartale Psychose)

von DoctorBox |
begutachtet von PhDr. Ewa Katarzyna Budna M.A. |
Junge Mutter mit postpartaler Psychose sitzt vor dem Babybett, hält sich mit den Händen den Kopf fest, während ihr Baby im Hintergrund im Babybett liegt.
ICD-Code: F53.1

Die Wochenbettpsychose ist ein schwerer Depressionszustand mit allen Symptomen einer Psychose. Er tritt innerhalb der ersten sechs Wochen nach der Entbindung auf, kann sich allerdings auch innerhalb der ersten 14 Tage nach der Geburt entwickeln. In den meisten Fällen sind die betroffenen Mütter bereits mit anderen psychischen Erkrankungen vorbelastet. Erfahren Sie hier mehr über die Ursachen, Symptome und die Behandlungsmöglichkeiten der postpartalen Psychose.

Das passiert bei einer Wochenbettpsychose

Die Geburt eines Babys ist für sehr viele Frauen eine extrem große körperliche Anstrengung und ebenso eine sehr intensive seelische Erfahrung. Die Situation nach der Entbindung ist völlig verändert und die frischgewordenen Mütter sehen sich mit zahlreichen neuen Anforderungen konfrontiert. Viele Frauen reagieren auf diese Veränderungen mit starken Stimmungskrisen und in einigen Fällen kann sich nicht nur eine Wochenbettdepression, sondern eine sogenannte Wochenbettpsychose entwickeln.

In der medizinischen Fachsprache wird die Wochenbettpsychose als postpartale Psychose (PPP) bezeichnet.
Die Erkrankung ist eine Erscheinungsform der seelischen Stimmungskrisen, die postnatal, also nach der Geburt eines Kindes auftreten kann. Sie bildet sich bei ungefähr ein bis drei von insgesamt 1000 Entbindungen aus. Diese psychische Erkrankung ist also eine seltene, aber sehr ernsthafte Komplikation im Wochenbett. 

Die Symptome treten sehr plötzlich auf, in einigen Fällen bereits am ersten oder zweiten Tag nach der Geburt, meistens jedoch innerhalb der ersten zwei Wochen. In sehr seltenen Fällen kann sich die postpartale Psychose auch aus einer unbehandelten Depressionserkrankung heraus entwickeln.
Bei dieser psychischen Erkrankung kann es zu einem völligen Verlust des Realitätsbezugs bei den betroffenen Müttern kommen. Sobald der Verdacht auf eine postpartale Psychose besteht, muss umgehend eine Psychiaterin bzw. ein Psychiater konsultiert werden, denn die betroffene Mutter könnte sich selbst und auch ihr Kind gefährden.

Im ICD-10, dem internationalen Krankheitsverzeichnis, findet sich die postpartale Psychose im Kapitel „Psychische oder Verhaltensstörungen im Wochenbett“ unter der Nummer F53.1 (Puerperalpsychose). 

Symptome

Eine postpartale Psychose ist nicht immer einfach zu diagnostizieren, denn häufig werden die Wahnvorstellungen oder die irrealen Befürchtungen der betroffenen Mütter nicht für ernst befunden. Darüber hinaus verschweigen auch zahlreiche betroffene Patientinnen ihre Beschwerden, in den meisten Fällen aus Angst, dass ihr Umfeld sie für verrückt halten könnte.
Die Symptome können sich häufig rasch verändern, sodass eine betroffene Person in einem Moment völlig gesund erscheint und im nächsten Augenblick wird sie psychotisch.

Die Wochenbettpsychose macht sich im Allgemeinen durch folgende Symptome bemerkbar:

Verlust des Realitätsbezugs & Persönlichkeitsveränderung

Eine veränderte Persönlichkeit sowie ein verändertes Verhalten der betroffenen Frauen ist ein Hauptmerkmal der postpartalen Psychose.
Die Betroffenen sind häufig extrem unruhig und leiden unter starken Angstzuständen, Konzentrationsproblemen, Gedächtnisstörungen, Gedankenrasen oder Gedankenunterbrechungen: Sie wirken auf andere Mitmenschen völlig desorientiert und verwirrt. Das Umfeld nimmt das Denken, Handeln und Fühlen der Betroffenen als völlig irrational wahr, während es für die Wöchnerinnen selbst ganz logisch erscheint.

Dieser Zustand kann von ganz normalen Phasen unterbrochen sein, in denen die Frau vollkommen rational und klar ist. Komplett klare Momente können jedoch wieder abrupt in psychotische und verwirrte Zustände umschlagen.

Motorische Unruhe & kurze Euphorie

Mediziner sprechen bei diesen Anzeichen von der „manischen Phase der postpartalen Psychose“. Einige der Betroffenen zeigen eine hohe Antriebssteigerung sowie übersteigerte Glücksgefühle. Sie fühlen sich geradezu euphorisch, heiter, überschwänglich und voller Energie. Manche betroffenen Wöchnerinnen leiden sogar unter Größenwahn und schmieden Pläne für verschiedene neue Großprojekte, doch in ihren tatsächlichen Handlungen sind oftmals unproduktiv.
Auch Anzeichen wie ein verringertes Urteilsvermögen und eine Enthemmung können auftreten und das kann auch für das Kind zu einer ernsthaften Gefahr werden.

Antriebslosigkeit & Apathie

Zeigen sich Symptome wie Antriebslosigkeit, Teilnahmslosigkeit und Apathie, sprechen Mediziner oft auch von deiner depressiven Form der Wochenbettpsychose. Die betroffenen Frauen wirken wie gelähmt und versteinert, irgendwie maskenhaft. Sie sind völlig desinteressiert an anderen Dingen oder Personen und leiden zudem oft unter starken Schuldgefühlen und Hoffnungslosigkeit.

Extreme Stimmungsschwankungen

Die Stimmungslage der betroffenen Wöchnerinnen unterliegt häufig großen Schwankungen. So wechselt die Stimmung von Euphorie zu Hoffnungslosigkeit, von Aggressivität und Gereiztheit bis hin zur völligen Verzweiflung.

Schlafstörungen 

Viele betroffene Mütter leiden unter Ein- und Durchschlafstörungen. Generell kann das Schlafbedürfnis stark vermindert sein. 

Wahnvorstellungen

Sobald solche Symptome auftreten, kommt es zu einer schizophrenen Form der Wochenbettpsychose. Eine betroffene Mutter kann beispielsweise davon überzeugt sein, dass ihr Kind vertauscht wurde oder dass andere Menschen ihr das Baby wegnehmen möchten.
Solche Wahnvorstellungen können auch von Halluzinationen begleitet werden. Einige der betroffenen Wöchnerinnen hören fremde Stimmen, riechen oder schmecken bestimmte Dinge. Einige Frauen halten ihr Kind für Jesus Christus oder sehen sich selbst als Heilige an. Wiederum andere halten ihr Kind für ein Dämon.

Die betroffene Frau kann sich zu rituellen und zwanghaften Handlungen getrieben fühlen, die im Extremfall sogar in Tötungsfantasien gipfeln können.

Suizidgedanken

Suizidgedanken sind ein weiteres häufiges charakteristisches Symptom einer Wochenbettpsychose. Zum Schutz der betroffenen Mutter, aber vor allem auch zum Schutz des Kindes  ist es ausgesprochen wichtig, dass die Frau mit dem Kind nicht allein gelassen wird. Darüber hinaus ist eine professionelle ärztliche Betreuung und Behandlung unverzichtbar.

Vermuten Sie an einer Wochenbettpsychose zu leiden?
Unser persönlicher Gesundheitsassistent hilft Ihnen dabei, Klarheit zu gewinnen. Mit dem Illness Check beantworten Sie gezielte Fragen zu Ihren Symptomen und erhalten sofort eine Einschätzung, wie wahrscheinlich eine Wochenbettpsychose oder eine andere Ursache ist. Klicken Sie jetzt, um Ihre Gesundheit in die Hand zu nehmen!

Verlauf

Eine adäquate psychotherapeutische Behandlung weit über die Akutphase der Krankheit hinaus ist von grundlegend wichtiger Bedeutung.
Der Heilungs- und der Erholungsprozess einer postpartalen Psychose kann langwierig und komplex sein. Eine Psychose ist für den Körper wie auch für die Seele der betroffenen Frauen eine immense Belastung. Die Mütter fühlen sich anschließend innerlich leer, ausgelaugt und völlig erschöpft.
Auch wenn die psychotischen Symptome abgeklungen sind, geht die Verarbeitung des Erlebten weiter. Wird eine postpartale Psychose möglichst frühzeitig erkannt und therapiert, so sind die Heilungschancen gut. Allerdings  lässt sich nicht vollständig ausschließen, dass die Erkrankung nicht zu einem späteren Zeitpunkt im Leben erneut auftritt. Das kann vor allem nach einer weiteren Entbindung der Fall sein, muss es aber nicht.

Eine weitere Schwangerschaft und Geburt sollten in jedem Fall gut geplant und im Idealfall auch therapeutisch begleitet werden. In einigen Fällen kann es sinnvoll sein, präventiv einen Notfallplan aufzustellen oder vorsorgliche Maßnahmen für die erste Zeit nach der Geburt des Kindes zu treffen.

Ursachen und Risikofaktoren

Bislang sind sich Mediziner noch nicht einig, warum postpartale Psychosen auftreten. Vermutet werden jedoch Veränderungen im hormonellen Haushalt der betroffenen Mutter, so zum Beispiel der Konzentrationsabfall der beiden Hormone Progesteron und Östrogen.

Darüber hinaus spielen vermutlich auch psychische und soziale Faktoren eine zentrale Rolle, so beispielsweise die Einstellung zum Kind, zum Partner oder zur eigenen Mutterrolle. Sind bereits in der Vorgeschichte der betroffenen Patientinnen schon psychische Erkrankungen aufgetreten, ist das Entstehungsrisiko einer Wochenbettpsychose stark erhöht. 

Ein weiterer Risikofaktor für die Entstehung einer postpartalen Psychose ist auch eine hohe familiäre Vorbelastung. Haben bereits nahe Familienangehörige schon psychotische oder manisch-depressive Episoden durchlebt, ist die Gefahr einer Wochenbettpsychose erhöht.

Therapie

Die Therapie einer postpartalen Psychose (PPP) entspricht in der Regel der einer schweren Depression. Sie basiert also auf den beiden Säulen „Antidepressiva“ und „Psychotherapie“. Welcher Behandlungsweg im Einzelfall einzuschlagen ist, hängt immer von der Stärke sowie vom Verlauf der postpartalen Psychose ab.

Bei einer konsequenten und adäquaten Therapie sind die Chancen beim erstmaligen Auftreten einer PPP aber gut, dass die Krankheit wieder vollkommen abklingt. Die Rückfallgefahr bei einer erneuten Geburt ist allerdings sehr hoch. Weitere Schwangerschaften sollten daher gut geplant und im Idealfall auch therapeutische mitbegleitet werden. 

Vergessen Sie nie wieder, Ihre Medikamente zu nehmen
Mit der Medikationsfunktion in der DoctorBox App behalten Sie den Überblick darüber, welche Medikamente Sie nehmen und können sich zum Einnahmezeitpunkt erinnern lassen – So vergessen Sie keine Einnahme mehr.
Medikamentöse Therapie der PPP

Mütter, die unter einer postpartalen Psychose leiden, müssen in der Regel medikamentös therapiert werden. Hierfür werden meistens Schlaf- oder Beruhigungsmittel angewendet. Diese Medikamente haben allerdings ein sehr hohes Abhängigkeitspotenzial und sollten daher nur als Notmedikation kurzfristig verabreicht werden. Auch der Einsatz von Antidepressiva oder Antipsychotika kann die Symptome der Wochenbettpsychose lindern.
Im Einzelfall kann auch eine Östrogenbehandlung  wirksam sein. Je nachdem, welche medikamentösen Mittel zum Einsatz kommen, muss unter Umständen im Vorfeld abgestillt werden.

Bei schweren Verläufen sollte eine Wochenbettpsychose stationär behandelt werden. Hierbei sollte die Trennung der Mutter und des Kindes vermieden werden. 

Psychotherapeutische Behandlung der PPP

Ergänzend zur medikamentösen Therapie braucht es bei einer Wochenbettpsychose eine psychotherapeutische Behandlung. Hierbei kommen vor allem zwei Verfahren zum Einsatz:

  • Psychoedukation
    Die ärztliche Diagnose „Psychose“ kann sowohl die betroffenen Patientinnen wie auch die Familienangehörigen stark verängstigen und verunsichern. Aus diesem Grund braucht es eine umfassende Aufklärung über diese psychische Krankheit (Psychoedukation). Das hilft zum einen den Betroffenen, ihre Ängste zu bewältigen und falsche Vorstellungen, Vorurteile oder gar aufkommende Schuldgefühle abzubauen.
    Darüber hinaus werden die Betroffenen und ihre Angehörigen geschult, die ersten symptomatischen Anzeichen der PPP zu erkennen und somit auf eventuelle Rückfälle bestens vorbereitet zu sein.

  • Kognitive Verhaltenstherapie
    Hierbei erlernen die betroffenen Mütter spezielle Methoden, durch die sie ihre Wahnvorstellungen und Zwangsgedanken besser kontrollieren sowie Depressionssymptome wie Stress oder Angst abbauen können. Eine medikamentöse Behandlung allein kann aber nicht vor einem erneuten Schub schützen.

    Es ist wichtig, dass die betroffenen Patientinnen ihre sozialen Fähigkeiten trainieren, um Stress gut abbauen zu können, soziale Kontakte stärken und mehr Gelassenheit im Umgang mit belastenden Alltagssituationen entwickeln. 

Was Sie selbst tun können

Die Zeit bis zur Genesung ist für die betroffenen Mütter häufig mit großem Leid verbunden, allerdings   können einige therapieunterstützende Selbstmaßnahmen ergriffen werden, um den hohen Leidensdruck zu mindern.

  • Professionelle Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen
    Betroffene Mütter und ihre Angehörigen finden begleitend zur therapeutischen Behandlung auch Unterstützung und Rat bei ambulanten Beratungsstellen, Ein bedeutender Vorteil dieser Beratungsstellen ist, dass sie im Allgemeinen kostenfrei angeboten werden. Es braucht für die Inanspruchnahme auch keine ärztliche Überweisung. Die Beraterinnen und Berater unterliegen zudem der Schweigepflicht.

  • Betreuungsangebote
    Können die Familienangehörigen oder die Freunde die betroffene Mutter im Alltag nicht ausreichend unterstützen, gibt es unterschiedliche Betreuungsangebote, die zum Teil auch durch die Krankenversicherer (mit)finanziert werden, so beispielsweise eine „Mütterpflegerin“. Diese hilft der Mutter im Haushalt, bietet Entspannungstechniken, berät bei gesundheitlichen Fragen und hilft auch bei der Pflege des Kindes.
    Eine Familienpflegerin unterstützt bei der Haushaltsorganisation und ebenso bei der Betreuung älterer Kinder.

  • Akupunktur
    Unterstützung zur Psychotherapie bzw. zur medikamentösen Behandlung können auch alternativmedizinische, komplementäre Behandlungsverfahren zum Einsatz kommen, so beispielsweise Akupunktur. Die traditionelle chinesische Medizin (TCM) soll das innere Gleichgewicht wiederherstellen und kann eine ausgleichende Wirkung auf die Psyche haben. Sie ersetzt die therapeutische Behandlung der postpartalen Depression nicht, kann diese allerdings gut ergänzen.
    Viele Heilpraktiker, Hebammen und auch Ärzte können diese Behandlung auch im Wochenbett durchführen.

  • Autogenes Training
    Diese Entspannungstechnik ergänzt ebenso die psychotherapeutische Behandlung und kann einen positiven Einfluss auf das vegetative Nervensystem haben. Autogenes Training hilft den betroffenen Müttern auch, mit diversen Stressbelastungen im Alltag leichter fertig zu werden. Bei Personen, die jedoch unter einer akuten Psychose leiden, ist das autogene Training nicht geeignet.

  • Atemtherapie
    Die Fähigkeit, gleichmäßig und ruhig zu atmen, kann die Sauerstoffversorgung des Körpers verbessern und somit belastende Emotionen mildern. Auch innere Verspannungen lassen sich dadurch häufig lindern. Begleitend zur regulären Therapie der Wochenbettpsychose können auch Atemtechniken eingesetzt werden.

  • Progressive Muskelentspannung
    Hierbei handelt es sich um eine leicht erlernbare Technik, bei der einzelne Körpermuskelgruppen gezielt angespannt und anschließend wieder gelockert werden. Das erhöht zum einen das Körperbewusstsein der betroffenen Mütter und zudem auch die Entspannungsfähigkeit.
    Die progressive Muskelentspannung ist vor allem in akuten Stresssituationen sehr hilfreich und wird auch im psychotherapeutischen Bereich oft als Begleitmaßnahme zur Angstbewältigung eingesetzt.