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Zwangsstörung

von DoctorBox |
begutachtet von PhD Ewa Budna |
ICD-Code: F42.-

Unter dem Begriff Zwangsstörung fällt ein breites Spektrum an Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Merkmalen. Die betroffenen Personen leiden unter beunruhigenden Zwangsgedanken und /oder führen immer wieder dieselben Rituale (Zwangshandlungen) aus. Obwohl den Betroffenen selbst klar ist, dass ihre Ängste und Handlungen irrational sind, ist es ihnen dennoch nicht möglich, ihr Denken und Tun zu kontrollieren. Lesen Sie hier mehr zum Thema. 

Das passiert bei einer Zwangsstörung  

Eine Zwangsstörung wird in der medizinischen Fachterminologie auch als „obsessive compulsive disorder“ oder OCD-Krankheit bezeichnet. Konkret handelt es sich um eine schwere psychische Erkrankung, die für die erkrankten Personen eine immense Alltagsbelastung ist. 

Zwangserkrankungen umfassen ein sehr breit gefächertes Spektrum an Verhaltensauffälligkeiten. Immer wiederkehrende Zwangsgedanken und Zwangshandlungen sind dabei charakteristisch für eine Zwangsstörung. Einige Betroffene werden von diversen, in der Regel sehr angstbesetzen Gedankengängen und Vorstellungen geplagt. Dazu zählen u.a. Vorstellungen, unverzüglich und ohne weiteres Nachdenken etwas tun zu müssen, beispielsweise eine Gewalttat zu begehen.  

Andere Betroffene stehen unter dem massiven Druck, bestimmte Handlungen wie beispielsweise Händewaschen immer wieder ausführen zu müssen. Diese Zwangshandlungen sind für sie ein Ritual, das ihnen kurzfristig eine innere Erleichterung verschafft. Zudem sehen die Zwangserkrankten diese Stereotypien oft als eine wichtige Prävention gegen ein objektiv unrealistisches Ereignis an, bei dem sie selbst oder andere Mitmenschen zu Schaden kommen könnten. Wenn diese Zwangshandlungen unterdrückt werden, wächst die Angst deutlich. 

Solche immer wieder aufkommenden Gedankengänge und Handlungen werden als Zwänge bezeichnet, denn die Betroffenen sind ihnen hilflos ausgeliefert. Sie bemühen sich vergeblich, dagegen anzukämpfen und dieser innere Widerstand raubt nicht nur viel Zeit, sondern auch viel Energie. Die Folge ist ein immer weiter steigender innerer Druck sowie eine immer größer werdende Angst. Erst wenn die betroffenen Personen ihren Zwängen nachgeben, lässt der große innere Druck für einen kurzen Moment nach.  
Mit der Zeit werden die Gedanken und Rituale immer komplexer und es dauert zunehmend länger, bis sich die erhoffte innere Entspannung einstellt. Die Zwänge werden also zu immer größeren Zeit- und Krafträubern. 

Zwangsstörungen beeinträchtigen den Lebensalltag und mindern die Lebensqualität der betroffenen Personen erheblich. Starke Ängste führen zu immer mehr Einschränkungen im Alltag, zu Problemen im Beruf sowie zu Konfliktsituationen in Partnerschaft, Familie sowie im Freundeskreis. 

Im ICD-10, dem internationalen Krankheitsverzeichnis, findet sich die Zwangsstörung im Kapitel „Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen“ unter den Nummern F42.-F42.9. 

Wie häufig kommt eine OCD-Krankheit vor? 

Die OCD-Krankheit (Zwangsstörung) ist die am vierthäufigsten vorkommende psychische Störung. Ungefähr 2-3 % aller erwachsenen Menschen in unserem Land sind im Laufe ihres Lebens von mehr oder weniger stark ausgeprägten Zwängen betroffen. 
Expertinnen und Experten schätzen jedoch, dass die Dunkelziffer wesentlich höher ist, denn die betroffenen Personen nehmen in den meisten Fällen erst dann professionelle Hilfe in Anspruch, wenn die Zwangsstörung ihren Lebensalltag erheblich belastet.  

Die ersten Zwangssymptome zeigen sich oft bereits im Kindes- und Jugendalter. Rund 85 % der Fälle treten vor dem 30. Lebensjahr auf. Der Beginn einer Zwangserkrankung nach dem 40. Lebensjahr ist eher selten. Während im Kindesalter Jungen häufiger von Zwängen betroffen sind als Mädchen, scheinen im Erwachsenenalter Frauen ein höheres Erkrankungsrisiko zu haben.  

Oftmals treten Zwangsstörungen in Verbindung mit anderen psychischen Krankheiten auf, so etwa mit depressiven Störungen, sozialen Phobien, Panik- oder Essstörungen.  

Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen – Besonderheiten 

Bis jetzt ist man davon ausgegangen, dass betroffenen Kindern und Jugendlichen im Vergleich zu zwangserkrankten erwachsenen Menschen häufiger die Einsicht in die Irrationalität ihrer Zwänge sowie der innere Widerstand dagegen fehlt. Neuere Forschungsstudien sprechen jedoch gegen diese Annahme.  
Bei Kindern und Jugendlichen kommt es infolge der Zwangsstörung oft zu massiven familiären Beeinträchtigungen, denn die anderen Familienmitglieder werden in das Zwangsgeschehen miteinbezogen. Die Betroffenen nehmen professionelle Hilfe auf Drängen der Eltern oder sonstiger Familienmitglieder in Anspruch, sondern vielmehr auf Aufforderung der Eltern oder sonstiger Familienmitglieder. Frühe, nicht behandelte Zwangserkrankungen können zu einem erhöhten Risiko für anhaltende Beeinträchtigungen der emotionalen, schulischen und sozialen Entwicklung werden. 

Zwanghafte Persönlichkeitsstörung und OCD-Krankheit? 

Eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung muss von einer OCD-Krankheit (Zwangsstörung) abgegrenzt werden.  
Menschen mit einer zwanghaften Persönlichkeit werden oft als perfektionistisch, pedantisch und regelverliebt angesehen. Im Gegensatz zu Zwangserkrankten leiden sie jedoch nicht unter ihrem obsessiven-zwanghaften Verhalten, sondern kommen gut damit zurecht. Sie denken nicht, dass diese Charakterzüge übertrieben sind, sondern vielmehr, dass dieses Verhalten notwendig ist, um den gewünschten Perfektionismus, die Kontrolle und die angestrebte Ordnung zu erreichen. Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung belastet somit nicht die Erkrankten selbst, sondern vielmehr ihre Umgebung. 

Weil die Betroffenen in ihrem Verhalten kein Problem erkennen können, suchen sie sich auch keine professionelle therapeutische Unterstützung. 
Bei OCD-Patientinnen und Patienten ist das Erleben anders: Sie wissen von der Irrationalität ihres Denkens und Tuns, jedoch sie können diese Gedanken und Handlungen nicht unterdrücken. 
Die Betroffenen leiden oft extrem unter begleitenden Ängsten sowie massiven Einschränkungen der täglichen Lebensqualität, die sich aus den Zwängen heraus ergeben.  

Symptome von Zwangsstörungen 

Eine Zwangserkrankung zeichnet sich durch drei Hauptsymptome aus, nämlich zwanghafte Gedanken, zwanghafte Handlungen sowie innere Impulse. In den meisten Fällen sind solche zwanghaften Impulse und Gedanken der Grund für das zwanghafte Verhalten.  
Die betroffenen Personen geraten in einen starken inneren Konflikt: Sie empfinden auf der einen Seite einen großen inneren Widerstand gegen die zwanghaften Gedanken und die stereotypen Handlungen, doch auf der anderen Seite gelingt es ihnen nicht, diesen einfach nicht nachzugeben.  

Auch Schamgefühle sind typisch für eine Zwangsstörung. Viele Betroffene versuchen ihre Zwänge vor anderen Familienangehörigen, Kollegen oder Freunden zu verbergen. Langfristig sorgt das für einen sozialen Rückzug und eine Vereinsamung der Betroffenen. 

Zwangsgedanken  

Zwangsgedanken drängen sich in den Betroffenen regelrecht auf: Sie „müssen“ sozusagen einfach gedacht werden. Die betroffenen Personen versuchen sich gezielt dagegen zur Wehr zu setzen, indem sie anderen Gedankengängen nachgehen oder sich mit anderweitigen Dingen ablenken. Wenn überhaupt, hilft das jedoch nur für eine kurze Zeit weiter und die zwanghaften Gedanken kehren schon bald wieder zurück.  

Die zwanghaften Gedanken sind also immer wiederkehrend. Häufig ist es auch so, dass bestimmte Situationen oder andere Mitmenschen regelmäßig diese Zwangsgedanken auslösen. So kann beispielsweise der Zwangsgedanke, sich mit einem gefährlichen Krankheitserreger infizieren zu können, immer dann aufkommen, wenn eine öffentliche Toilette besucht wird. Zwangsgedanken können jedoch auch ohne einen bestimmten Auslöser immer wieder aufkommen. Das kann in unterschiedlichen Alltagssituationen passieren wie zum Beispiel in der Schule, im Beruf oder beim Sport. 

Diese zwanghaften Gedanken sind unangenehm und häufig mit Angst verbunden. Dabei können verschiedene Arten von Zwangsgedanken auftreten:  

  • Zwanghafte Angst vor Kontaminierung 
    Von dieser Art der Zwangsgedanken ist ungefähr jede und jeder Zweite betroffen. Die betroffenen Personen leiden unter der ständigen Angst, dass sie sich beschmutzen oder sogar mit Krankheitserregern anstecken könnten, wenn sie mit fremden Gegenständen oder Mitmenschen in Berührung kommen. 

  • Unlösbare Zweifel 
    Ungefähr vier von zehn Zwangserkrankte leiden dauernd unter krankhaften Zweifeln, bestimmte Dinge unterlassen oder getan zu haben und verspüren somit eine große Angst vor möglichen Konsequenzen. So fragen sich die Betroffenen beispielsweise, ob sie den Herd ausgeschaltet oder die Tür zugesperrt haben. 

  • Physische Zwangsbefürchtungen 
    Ungefähr bei einem Drittel aller Zwangserkrankungen kommt es zu sogenannten Krankheitsbefürchtungen, beispielsweise die Zwangsbefürchtung, dass die eigene Gesundheit oder die nahestehender Menschen gefährdet sein könnte. 

  • Übersteigertes Bedürfnis nach Symmetrie 
    Einige Zwangserkrankte haben ein übersteigertes Bedürfnis nach Symmetrie: Das bedeutet, dass sie gedanklich alle möglichen Dinge nach ihren eigenen Vorstellungen sortieren und symmetrisch ordnen. 

Selbstverständlich empfinden auch gesunde Menschen eine bestimmte Abneigung vor starken Verunreinigungen. Ein gewisses Mindestmaß an Sorge um die eigene Gesundheit sowie um die von nahestehenden Angehörigen ist also völlig normal. Bei Menschen mit einer Zwangsstörung sind diese Gedanken jedoch wesentlich intensiver und vereinnahmender. 

Zwangshandlungen  

Zwangshandlungen sind in den meisten Fällen auf einen bestimmten Zweck ausgerichtet. Durch sie versuchen die Betroffenen, sich vor einer imaginären Gefahr zu schützen oder den inneren Druck zu lindern, der hinter den Zwangsgedanken steckt.  

Zu den Zwangshandlungen gehören zum Beispiel:  

  • So waschen sich viele Betroffene etwa aus Angst vor Keimen oder Verunreinigungen permanent die Hände (Waschzwang). 

  • Einige kehren mehrmals hintereinander ins Haus zurück und stellen sicher, dass sie den Herd und das Licht ausgeschaltet haben (Kontrollzwang). 

  • Menschen mit einem Ordnungszwang räumen ständig die Wohnung oder den Schreibtisch auf, um das gesteigerte Bedürfnis nach Ordnung und Symmetrie zu befriedigen. Charakteristisch für den Ordnungszwang sind ritualisierte Handlungen, das heißt die immer wieder gleiche Wiederholung bestimmter Handlungsmuster.  

Zwangshandlungen können sogar zu körperlichen Beeinträchtigungen führen: Wer sich beispielsweise häufig die Hände wäscht, schädigt die Hautschutzbarriere und das führt langfristig zu Hautproblemen.  

 Zwangsimpulse  

 Zwangsimpulse sind ein immer wiederkehrender, unwillkürlicher Antrieb zu einer gewissen Handlung, etwa einer Gewalttat. Die Betroffenen fürchten sich davor, dass sie ihrem zwanghaften Impuls folgen und die Handlung tatsächlich ausführen könnten. Das passiert allerdings in den allermeisten Fällen nicht. Ähnlich wie zwanghafte Gedanken können auch zwanghafte Impulse bei einer OCD-Krankheit unterschiedlich sein. Die Symptome sind jedoch vor allem aggressiver und sexueller Natur, so etwa Gewaltaktionen gegen andere Mitmenschen. 
Aggressive zwanghafte Impulse können sich auch gegen die eigene Person richten, so etwa der Impuls, von einer Brücke zu springen.  

Verlauf  

Im Allgemeinen bleiben Zwangsstörungen über längere Zeit hinweg unbemerkt, denn Zwänge entwickeln sich nicht von einem Tag auf den nächsten. Den Betroffenen erscheint ihr Verhalten zunächst einmal nicht ungewöhnlich, bis ihnen jedoch auffällt, wie viel Zeit ihre Rituale in Anspruch nehmen und wie energieraubend diese tatsächlich sind. Einige Erkrankte bekommen infolgedessen berufliche Schwierigkeiten oder es kommt zu Konflikten in Familie und Partnerschaft. Den Betroffenen gelingt es kaum noch, den eigenen Verpflichtungen und Hobbys nachzugehen: Die Zwänge beginnen, den Lebensalltag zu dominieren.  

Eine Zwangsstörung kann auf unterschiedliche Art und Weise verlaufen. Unbehandelt ist ein chronischer Verlauf zu befürchten, wobei die Beschwerden mal mehr und mal weniger intensiv ausgeprägt sein können. Einige Menschen erleben auch zwangsfreie Phasen.  
Darüber hinaus kann sich die Art der auftretenden Zwänge mit der Zeit verändern.  

Im Erwachsenenalter sind Zwangsstörungen oftmals nicht so hartnäckig wie im Kindes- oder Jugendalter.  
Viele Betroffene brauchen professionelle Unterstützung, um die Zwänge unter Kontrolle zu bekommen, doch eine Therapie kann den Verlauf sehr positiv beeinflussen. 

Ursachen und Risikofaktoren  

Bislang ist noch nicht abschließend erforscht, was Zwangsstörungen im Einzelnen verursacht. Die genetische Veranlagung spielt vermutlich eine Rolle. 
Darüber hinaus scheint die individuelle „Gehirnchemie“ der Zwangserkrankten einen zentralen Einfluss zu haben. Meistens führt ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren zur Entstehung einer OCD-Krankheit.  

Unausgeglichener Botenstoffhaushalt im Gehirn  

Als mögliche Ursache für die Entstehung einer Zwangsstörung diskutieren Experten eine Störung des Gleichgewichts verschiedener Neurotransmitter im Gehirn. Neurotransmitter sind bestimmte Botenstoffe, die Signale zwischen einzelnen Nervenzellen weitergeben. Für die Hirnaktivitäten, die bei einer Zwangserkrankung ablaufen, sind insbesondere die Neurotransmitter „Dopamin“ und „Serotonin“ von Bedeutung. Beiden Botenstoffen kommt auch bei der Entstehung von Depressionen eine Relevanz zu. Sie sind beispielsweise für Angst, Stimmung, Impulsivität und Sexualität mitverantwortlich.  

Bildgebende Verfahren wie beispielsweise MRT-Untersuchungen konnten eine Veränderung in bestimmten Gehirn-Arealen bei Zwangserkrankten aufzeigen. Inwiefern diese Veränderungen jedoch eine Ursache oder eine Folge der Krankheit sind, kann aktuell nicht sicher gesagt werden.  

Unter Umständen ist die Ursache für eine Zwangsstörung auch in einer Funktionsbeeinträchtigung der sogenannten Basalganglien im Frontallappen des Gehirns zu suchen. Die Basalganglien befinden sich in der linken sowie in der rechten Gehirnhälfte unterhalb der Großhirnrinde und steuern unter anderem die motorischen Bewegungsabläufe. Ist ihre Funktionsweise beeinträchtigt, funktioniert unter Umständen das Zusammenspiel zwischen Bewegungsimpulsen und den dazugehörigen Bewegungen nicht mehr ordnungsgemäß. Es wird also vermutet, dass diese Funktionsbeeinträchtigung der Basalganglien zu Zwangsstörungen führen kann. 

Genetische Ursachen  

Die Erbanlage scheint die Entstehungsgefahr für eine Zwangsstörung ebenfalls zu erhöhen. 
So treten Zwangserkrankungen innerfamiliär gehäuft auf. Die Forschungsergebnisse aus Zwillingsstudien sprechen für eine bedeutende Rolle der Genetik. In den Studien werden eineiige Zwillinge im Hinblick auf ihr Erkrankungsrisiko verglichen mit zweieiigen Zwillingen. Auf dieser Forschungsgrundlage lässt sich ermitteln, welchen Anteil die Erbanlagen und die Umweltfaktoren auf die Entstehung Zwangsstörungen haben. 

Umweltfaktoren 

Schwere traumatische Erlebnisse, die mit Ekel und einer großen Angst verbunden sind wie zum Beispiel Gewalterfahrungen oder sexueller Missbrauch, können bei der Entstehung einer Zwangsstörung ebenfalls eine große Rolle spielen. Auch infolge neurologischer Hirnverletzungen, Schlaganfälle oder einem Schädel-Hirn-Trauma können sich Zwänge entwickeln.  
Wissenschaftliche Studien belegen, dass auch Streptokokken-Infektionen im Kindesalter die Entstehungsgefahr einer Zwangsstörung steigern kann. Ebenso könnten Autoimmunerkrankungen in der Kindheit eine wesentliche Rolle bei der Entstehung psychischer Krankheiten spielen, demnach auch bei einer Zwangsstörung (OCD-Krankheit). 

Psychologische Ursachen für Zwangsstörungen 

Fachexperten gehen gegenwärtig davon aus, dass bestimmte erlernte Erfahrungen sowie einige Faktoren in der Erziehung eine Rolle bei der Entstehung von Zwängen spielen können.  
Hierzu gehört beispielsweise ein ängstlicher Erziehungsstil oder eine übertriebene Sauberkeitserziehung. Zwangserkrankte berichten häufig außerdem von früher emotionaler oder physischer Vernachlässigung bzw. einem frühen Verlust nahestehender Bezugspersonen, zum Beispiel den Tod der Mutter oder des Vaters. 
Bei vielen Betroffenen spielen auch Trennungsängste eine große Rolle: Das zeigt sich oft bei Sammelzwängen, auch bezeichnet als „pathologisches Horten“ (Hoarding Disorder).  

Ein sehr autoritärer Erziehungsstil mit hohen leistungsbezogenen Erwartungen kann zu einer starken Verunsicherung der Kinder führen. Infolgedessen wachsen die Betroffenen zu Erwachsenen heran, die einen sehr strengen Umgang mit sich selbst pflegen. 
Sie werden zu Perfektionisten, die versuchen, jeden noch so kleinen Fehler zu vermeiden. Fehlt Kindern die Erfahrung von liebevoller Zuwendung und Sicherheit, so kann das dazu führen, dass diese Menschen später nicht richtig mit negativen Gedanken und Emotionen umgehen können: Solche mangelnden Fertigkeiten sind auch charakteristisch für viele Zwangserkrankte. Aus diesem Grund lassen sich bei vielen erwachsenen Betroffenen häufig auch unsichere-ängstliche sowie perfektionistische Wesenszüge beobachten.  

Therapie  

Bei der Behandlung von Zwangsstörungen werden durch die kognitive Verhaltenstherapie die besten Erfolge erzielt. Darüber hinaus kann in vereinzelten Fällen auch der Einsatz von Medikamenten hilfreich sein.  

Kognitive Verhaltenstherapie bei Zwangserkrankungen 

Bevor es mit der Zwangstherapie losgeht, besprechen in der Regel die Therapeutin oder der Therapeut und die Patientin oder der Patient gemeinsam das weitere Vorgehen! 
Eine mögliche Behandlungsmethode sind beispielsweise Expositionsübungen (Konfrontationsübungen), denn sie gelten als besonders wirksam. Hierbei werden die Betroffenen mit dem zwangsauslösenden Reiz konfrontiert, sie dürfen jedoch dem inneren Druck nicht nachgeben. So muss beispielsweise eine Person mit einem Ordnungszwang das eigene Bücherregal durcheinanderbringen, darf die Bücher jedoch nicht wieder neu sortieren. Viele Betroffene ordnen die Bücher in Regalen nämlich nach Farben und Größen. 
Die Reizexpositionen werden von Mal zu Mal weiter gesteigert.  Alternativ kann die betroffene Person gleich zu Therapiebeginn mit seiner größten Angst konfrontiert werden.  

Am Anfang scheint der Drang, den üblichen stereotypen Handlungen zu folgen, übermächtig.  Doch der betroffene Patient erlebt schließlich, wie der innere Druck allmählich nachlässt – und zwar auch ohne, dass dem Zwang nachgegeben wird. Durch diese bewusste Erfahrung erfährt der Betroffene eine Portion Selbstkontrolle über das eigene Verhalten. Es kann jedoch einige Therapiestunden brauchen, bis sich dieser positive Effekt einstellt.  

Zur erfolgreichen Bewältigung von zwanghaften Gedanken werden die betroffenen Patientinnen und Patienten aufgefordert, die unangenehmen Gedanken zuzulassen. Wenn es den betroffenen Personen gelingt, sich gezielt darauf einzulassen und sich bewusst mit ihren eigenen Gedanken zu beschäftigen, haben sie eine gute Chance, den Zwang mit Erfolg zu besiegen. Die kognitive Verhaltenstherapie unterstützt die Betroffenen darüber hinaus, ungünstige Gedankenmuster zu verändern.  

Sehr hilfreich können auch unterstützende Stressabbautechniken sein, so etwa Autogenes Training, Achtsamkeitsübungen oder Progressive Muskelentspannung. 

Medikamentöse Behandlung  

Bei einem großen Teil der Betroffenen zeigen sogenannte Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) eine positive Wirkung. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Medikamentengruppe von Antidepressiva.  
In der Regel müssen diese Mittel höher dosiert werden als bei einer Depressionsbehandlung. Durch die Einnahme der SSRI-Präparate reduziert sich bei den meisten betroffenen Personen die starke innere Anspannung und die Zwangssymptome lassen allmählich nach.  
Komplett verschwinden die Zwangssymptome in den meisten Fällen jedoch nicht und nach dem Absetzen der Medikamente kehren sie im Allgemeinen wieder zurück. Aus diesem Grund ist eine begleitende psychotherapeutische Behandlung von sehr großer Bedeutung, um eine erfolgreiche Behandlung der Zwangsstörungen sicherstellen zu können.  

Was Sie selbst tun können 

Es gibt kein Mantra und ebenso keinen fest installierten Knopf, um Zwangsgedanken und Zwangshandlungen einfach abzuschalten und für immer aus dem Kopf zu verbannen. Das ist auch nicht das vorrangige Ziel. Wesentlich wichtiger ist es, dass die Zwangsgedanken wieder zu „normalen“ Gedanken werden, die bewusst wahrgenommen, reflektiert und auch wieder losgelassen werden können.  
So können Sie selbst einige Selbstmaßnahmen ergreifen, um Zwänge erfolgreich unter Kontrolle zu bekommen. Dabei können Ihnen vor allem die folgenden drei Techniken helfen:  

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1. Gedankenbewertung  

Hierbei soll der Patient eigene Gedanken als Hypothesen ansehen. Durch systematisches Hinterfragen auf Fehldeutungen erfolgt die Bewusstmachung, dass subjektive Bewertungen die verzerrte Wahrnehmung der Realität bedingen können und so können auch neue Gedanken / Konstrukte ausformuliert werden. 
Das klingt theoretisch einfach und auch einleuchtend, ist in der Praxis aber oft gar nicht so leicht umsetzbar. Das ist aber kein Problem: Bleiben Sie geduldig an Ihrem Mentaltraining dran, denn neue Verhaltensweisen lassen sich trainieren! 

2. Gedankenbeobachtung  

Die Beobachtung der eigenen Gedanken ist eine weitere Übung. Hierbei geht es darum, zu erlernen, dass Gedanken – ähnlich wie Wolken am Himmel – kommen und gehen. Nach einiger Zeit sind sie dann komplett verschwunden. 

3. Meditation  

Meditation kann uns dabei unterstützen, die eigenen Gedanken bewusster wahrzunehmen, sie klarer einzuordnen und auch wieder gezielt loszulassen. Gedanken sind keine akute Bedrohung, ähnlich wie eine Filmszene, die kurzzeitig Angst machen kann, aber keine körperliche Gefahr darstellt.  
Versuchen Sie, Ihre Gedanken wie einen Film zu beobachten, der keinerlei direkten Auswirkungen auf Ihren Lebensalltag und Ihre Gesundheit hat. Diese Meditationsübung können Sie immer wieder durchführen, zum Beispiel, wenn Sie Zwangsgedanken verspüren sollten, wenn Sie gerade einen entspannten Augenblick genießen oder wenn Sie den Tag ruhig abschließen wollen.